Objekt des Monats: Das Meisterstück einer Wellenanlage

Blog |

Jeden Monat wird ein Archiv-Schatz vorgestellt. Anlässlich der anstehenden zweiten Azubi-Regatta am 22. August, zu der Schüler:innen auf Auszubildende aus der maritimen Branche treffen, ruft die Direktorin des DSM, Prof. Dr. Ruth Schilling, das Objekt des Monats aus: Das Modell einer Wellenanlage.

“Die Wellenanlage (engl. marine shaft device) dient der Übertragung der Drehbewegung bzw. Drehleistung der Antriebsmaschine auf den Propeller, sowie zur Aufnahme des Propellerschubs und seiner Übertragbarkeit auf den Schiffskörper.”

Nimmt der Schiffspropeller in der Geschichte des Schiffbaus einen prominenten Platz ein, da er dem Dampfantrieb erst zu seinem richtigen Durchbruch verhalf, verblieben die dazu gehörigen Wellenanlagen als zum Einsatz der Propeller notwendiges Hilfsmittel in der historischen Aufarbeitung des Schiffbaus eher unbeachtet, wohl auch, weil sie weniger prominent zum Erscheinungsbild des Schiffes gehören. Ihre mangelnde Wartung kann jedenfalls auf die Fahrfähigkeit insbesondere auch großer Schiffe eine entscheidende Wirkung ausüben. Auf diese Weise erhielten Wellenanlagen eine besondere Aufmerksamkeit im Geschäft der Schiffsversicherer und der Seegerichtsbarkeit. Eine oberflächliche Recherche brachte wenigstens ein Urteil zutage, wo einem Maschinisten im Jahr 1883 ein Berufsverbot erteilt wurde, da er die Wartung der Wellenanlage auf dem Schraubendampfer BERNHARD vernachlässigt hätte. Weitere Recherchen wären im Rahmen eines eigenen kleinen geschichtswissenschaftlichen Forschungsprojekts sicher aufschlussreich.

Das Modell einer Wellenanlage, um das es hier gehen soll, war nicht für den Betrieb großer seegängiger Schiffe gedacht, was unschwer an seinen Dimensionen zu erkennen ist. Diese Wellenanlage en miniature diente zu Demonstrations- und nicht zu Gebrauchszwecken. Daher wurde sie auch mit einem Propeller gekoppelt. Gefertigt wurde sie Anfang der Fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts durch Walter Weihmann. Walter Weihmann wurde am 15. Mai 1923 in Lemwerder geboren. Nach einer Lehre auf der Werft von Abeking & Rasmussen diente er als Soldat im Zweiten Weltkrieg und geriet in Kriegsgefangenschaft, aus der er kurz nach Kriegsende nach Lemwerder zurückkehrte. Dort gründete im Jahr 1950 Friedrich Stöver eine Firma für Maschinen- und Apparatebau für den Kleinschiff- und Motorschiffsbereich. Das Unternehmen existiert bis heute. Walter Weihmann arbeitete dort bis 1959 und legte während dieser Zeit seine Meisterprüfung als Drehermeister ab. Meisterstück war diese Wellenanlage, die sich bis heute in einem sehr guten Zustand befindet. Mündliche Überlieferung innerhalb der Familie Weihmann besagt, dass die Prüfungskommission sich damals nur für eine "Vier" als Prüfungsnote entschied, da die Gutachter befanden, dass das Stück als zu präzise gefertigt aussehen würde, als dass es allein von Hand hergestellt worden sei. Eine regelrechte Rehabilitierung können wir im Rahmen dieser Präsentation nicht aussprechen, da die Quellen hierzu nicht überprüfbar sind. Der Augenschein gibt aber dem indirekten Lob der Kommission recht: Das Stück ist ein wahrhaftes Meisterstück. Dem weiteren Lebenslauf von Walter Weihmann hat es nicht geschadet. Vielmehr wurde er selbst ein Jahr nach seiner Meisterprüfung zum Ausbilder für Maschinenbau beim Lemwerder-Sitz der Weser-Flugzeugbau GmBH (kurz “Weserflug”). Ein Foto zeigt ihn als entsprechend seiner Stellung gekleideten und wohlwollend blickenden Lehrer. Con der Identität des Lehrlings ist leider nichts Konkretes überliefert.

Das Modell der Wellenanlage kam im Jahr 2014 an das DSM. Zum einen zeigt es schön die Funktionsprinzipien von Wellenanlagen. Zum anderen befindet es sich in einem robusten Zustand und könnte daher auch gut als authentisches ‘Hands-on-Modell’ eingesetzt werden. Warum hat es dann also nicht seinen Weg in den Themenbereich Schiffbau in unserer neuen Dauerausstellung “Schiffswelten - der Ozean und wir” gefunden? Dieser kann ab dem 18. Juli in unserem Erweiterungsgebäude besichtigt werden. In ihm haben wir uns dazu entschlossen, vor allem die Produktion großer seegängiger Schiffe zu zeigen und damit auch die globalen Wirtschaftskreisläufe und hochkomplexen materiellen Entstehungsprozesse. Mit einem Blick wollen wir die gewaltigen Dimensionen dieser Schiffe und ihres Baus verdeutlichen.

Daher haben wir uns - manchmal auch schweren Herzens - dafür entschieden, viele relevante Objekte aus unserer Sammlung insbesondere aus dem Bereich Kleinschiffbau nicht zu zeigen. Dies bedeutet nicht, dass sie nicht in Zukunft einmal im Rahmen von Sonderausstellungen vorgestellt werden können.

Im August 2024 wollen wir dieses Modell präsentieren, da wir nun zum zweiten Mal zu unserer “Azubi-Regatta” einladen: Auszubildende aus ganz unterschiedlichen Sektoren der maritimen Wirtschaft erklären Schülerinnen und Schüler ihre Berufe und durchleben in unserer Ausstellung unterschiedliche challenges. Die Resonanz dieses Formats, das wir dank der Unterstützung durch das Maritime Cluster Norddeutschland und den Fördervereins des DSM durchführen können, ist anhaltend groß und belegt das Bedürfnis nach einer neutralen Austauschplattform zwischen unterschiedlichen Alters- und Berufsgruppen.

 

 

Wellenanlage

Abbildung 1: Modell einer Wellenanlage
Foto: Familie Weihmann

Historisches Buch

Abbildung 2: Walter Weihmann als Ausbilder

Foto: Familie Weihmann

Azubi-Regatta

Erste Azubi-Regatta im Jahr 2023
Foto: DSM / Annica Müllenberg

.svgNavPlus { fill: #002c50; } .svgFacebook { fill: #002c50; } .svgYoutube { fill: #002c50; } .svgInstagram { fill: #002c50; } .svgLeibnizLogo { fill: #002c50; } .svgWatch { fill: #002c50; } .svgPin { fill: #002c50; } .svgLetter { fill: #002c50; } Universität Bremen