Archivalie des Monats: Radierung von Max Liebermann

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In der Reihe "Archivalie des Monats" stellt das Deutsche Schifffahrtsmuseum (DSM) / Leibniz-Institut für Maritime Geschichte regelmäßig einen besonderen Schatz aus dem Archiv vor. Passend zum Geburtsmonat des Künstlers Max Liebermann stellt die Provenienzforscherin Dr. Kathrin Kleibl im Juli eine seiner Radierungen in den Fokus. Die Radierung "Die Netzflickerinnen" entstand nach einer Bleistiftstudie aus dem Jahr 1894.

Seit dem Jahr 2000 besitzt das Archiv des DSM die Radierung "Die Netzflickerinnen" von Max Liebermann. Max Liebermann - geboren am 20. Juli 1847, gestorben am 8. Februar 1935 in Berlin - zählt zu den bedeutendsten Künstlern des deutschen Impressionismus. Er malte das Bild seiner Umgebung präzise, klar und zugleich lebendig.

Neben Porträts, Landschaften und Darstellungen des bürgerlichen Lebens hielt Max Liebermann auch Alltagsszenen und einfache Arbeitswelten von Webern, Bauern und Netzflickerinnen fest. Die Darstellung dieser rustikalen, zum Teil ärmlichen Szenerien war seinerzeit zunächst heftig umstritten: Sie wurden von Kritikern als „belanglos“ abgetan, da sie im Gegensatz zu den damals üblichen Schlacht-, Helden- oder Bibeldarstellungen standen. Doch Liebermann wollte seine Bilder nicht als belanglos oder gar als soziale Anklage verstanden wissen, vielmehr war er auf der Suche nach der Schönheit und dem Sinn des einfachen Lebens. So auch in der Radierung "Die Netzflickerinnen" im DSM.

Die Grafik "Die Netzflickerinnen" gehört zu einer Reihe von Darstellungen, die immer das gleiche Genrethema zeigen: Frauen, die auf einer Wiese hocken oder selten stehen und Fischernetze flicken. Auf das Motiv der Netzflickerinnen war der Künstler 1884 während seiner Hochzeitsreise im holländischen Scheveningen gestoßen. In zahlreichen Zeichnungen und Ölstudien setzte Max Liebermann das Thema um, bis er wenige Jahre später auf der Pariser Weltausstellung 1889 ein großformatiges Ölgemälde präsentierte. In Hamburg erkannte der damalige Direktor der Hamburger Kunsthalle, Alfred Lichtwark, die Zeichen der Zeit: Er kaufte das Gemälde der Netzflickerin an, ein großer Erfolg für den Künstler, vor allem nach der negativen Kritik. Zudem war es das erste Werk Max Liebermanns, das in ein Museum gelangte (Inv.-Nr. HK-1580).

Die Radierung schuf Max Liebermann wenige Jahre später, 1894. Sie geht vermutlich unmittelbar auf eine Bleistiftstudie zurück, die sich heute im Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle befindet (HK Inv. Nr.: 1924-463). Dargestellt sind hockende Frauen, die sich an der für den Betrachter verborgen bleibenden Küstenlinie orientieren, im Landschaftsraum platziert sind und fast mit dem Feld verschmelzen. Nur eine der Frauen erhebt sich, um ihre Arbeit zu kontrollieren. Sie ist auch die einzige der Frauen, die die fast geradlinige Horizontlinie durchbricht, die den tief liegenden Himmel von der Landschaft trennt; es entsteht der Eindruck einer grenzenlosen Weite, wie sie für die niederländische Küste so typisch ist. Über den Frauen türmen sich dicke Quellwolken auf - unbeirrt gehen sie konzentriert ihrer Arbeit nach. Der Wind, vom nahen Meer kommend, weht sanft über das sich neigende Gras. Diese Komposition strahlt trotz der Wolken eine unveränderliche, beständige Ruhe aus.

Max Liebermann gewährt uns hier einen Einblick in eine Welt, in der das Leben am Meer sowohl eine Quelle der Ernährung als auch eine klare Verteilung der Rollen nahe legte. Während die Männer auf See waren, verrichteten die Frauen ihre Arbeit an Land. Er zeigt uns die Perspektive der Frauen, ihre harte Handarbeit und ihre stoische Ausdauer. Ohne die Fischer auf dem Meer zu sehen, können wir erahnen, dass sich die Menschen in ihr Schicksal fügen.

Die DSM-Radierung hat die Maße 22 x 30 cm (Platte), 41 x 49,3 cm (Blatt); die Arbeit ist direkt auf der Platte mit Liebermann signiert. Auf dem Papier befindet sich ein Trockenstempel; in der linken unteren Ecke des Bildes ist außerdem ein Fingerabdruck zu sehen, der beim Druck der Grafik entstanden sein muss. Insgesamt ist der Erhaltungszustand der Radierung als gut zu bezeichnen, das Papier ist altersbedingt leicht fleckig. Außerdem sind zwei unterschiedliche frühere Rahmungen erkennbar, da das Papier in zwei Phasen nachgedunkelt erscheint. Nach dem Werkverzeichnis Max Liebermanns von Gustav Schiefler, Max Liebermann. Sein graphisches Werk 1876-1923 (4. Auflage, San Fransisco 1991) handelt es sich um den unter Nr. 33 Netzflickerinnen. Ätzung, Kaltnadelradierung) beschriebenen III. Zustand (evtl. III a/a).

Über die genaue Herkunft - die Provenienz - der Radierung ist bislang wenig bekannt: Beim Erwerb der Grafik aus dem Kunsthandel wurden seinerzeit keine Angaben zu weiteren Vorbesitzern gemacht. Für möglicherweise vergleichbare Radierungen unter den Titeln "Netzflickerinnen in Landschaft" oder "Netzflickerinnen" von Max Liebermann wurden mehrere Suchmeldungen in der LostArt-Datenbank veröffentlicht. In die LostArt-Datenbank werden Meldungen über gesuchte und aufgefundene so genannte Raubkunst eingestellt, die ihren Eigentümern während der NS-Herrschaft verfolgungsbedingt entzogen wurde. Trotz intensiver Recherchen ist es bisher nicht gelungen, die Radierung im DSM mit der über LostArt gesuchten Radierungen zu identifizieren. Gerade bei seriell hergestellten Kunstwerken und in größeren Auflagen erschienenen Grafiken, die nur selten individuelle Merkmale aufweisen, ist die eindeutige Provenienz ohne zusätzliche Informationen äußerst schwierig nachzuvollziehen.

Eine Radierung in schwarzweiß, auf der Frauen am Strand Netze flicken.

DSM / Archiv

Großaufnahme eines Stempelabdrucks auf der Radierung.

Bei genauerer Betrachtung ist der Stempel gut zu erkennen. Foto: DSM Archiv

Großaufnahme einre Radierung, auf der Frauen Fischernetze aus dem Meer holen.

Ausschnitt aus der Radierung, auf der Liebermanns Zeichenstil gut zu erkennen ist. Foto: DSM Archiv

Bildausschnitt der Radierung, auf dem ein Fingerabdruck zu sehen ist.

Wer genau hinsieht, kann rechts über dem Stempel den Teil eines Fingerabdrucks erkennen. Er stammt wahrscheinlich von einem Gehilfen Liebermanns, der die Radierung gedruckt hat. Foto: DSM Archiv

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