Archivalie des Monats: Taufspruch des Schweren Bergungsschleppers SEEFALKE von 1924

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In der Reihe "Archivalie des Monats" stellt das Deutsche Schifffahrtsmuseum (DSM) / Leibniz-Institut für Maritime Geschichte monatlich einen besonderen Schatz aus dem Archiv vor. Im September erinnert Dr. Lars Kröger an das Ritual der Schiffstaufe im Allgemeinen und anlässlich des 100. Geburtstages des Hochsee-Bergungsschleppers SEEFALKE, an deren Taufe am 27. September 1924.

In christlichen Ritus, wie auch in der Schifffahrt, stellt die Taufe einen Übergang dar. In beiden Fällen ist das „Werk“ bereits in voller Pracht vorhanden und wird nun für seine Bestimmung geweiht. Im Falle der Kindstaufe ist es der erste Schritt auf dem Weg in ein christliches Leben, im Falle des Schiffes der Wandel von einem Bauwerk an Land, zu einem Wasserfahrzeug.

Schiffstaufen orientieren sich sehr stark am christlichen Ritus: die Abhaltung eines (halb-)öffentlichen Festes, die feierliche Proklamation des Namens, die Weihe mit Wasser bzw. einer Sektflasche, die Anwesenheit einer Taufpatin und die Verlesung eines Taufspruches. Der Taufspruch hat in beiden Fällen die Aufgabe, Kind und Schiff das ganze Leben lang zu begleiten und unter eine Art Motto zu stellen. Bei der christlichen Taufe entscheiden sich die Eltern in der Regel für eine Bibelpassage, welche dem Kind Schutz, Mut oder ein Lebensmotto verleihen soll. Dies ist bei Schiffstaufen grundsätzlich nicht anders. Allerdings werden für Schiffe die Wörter frei gewählt und können so häufig als Medium für Botschaften einer gewissen Geisteshaltung genutzt werden.

Dies ist auch so im Falle der Taufe des Schleppers SEEFALKE am 27. September 1924 auf der Tecklenburg Weft in Geestemünde, heute Bremerhaven. Als Taufpatin stand Frau Sophie Schuchmann zur Verfügung. Sie war die Ehefrau von Behrend Schuchmann, welcher zu diesem Zeitpunkt Chef der Schuchmann Reederei und somit auch Bauherr der SEEFALKE war. Ihr kam die Ehre zu, den Taufspruch zu verlesen. Ob sie ihn auch verfasst ist nicht klar. Der Spruch lautet wie folgt:

Deutsche Gedanken und deutsche Kraft

Haben Dich stattliches Fahrzeug erschafft

Uns zum Gedeih’n.

Ehe Du eilst in das Element

Das Dich fürder sein eigen nennt,

lasse Dich weih’n.

 

„SEEFALKE“ will ich mit Namen Dich taufen,

falkengleich sollst durch die Meere Du laufen,

kühn und in Eil.

Mit jenes Vogels blitzgleicher Schnelle

Bringe Du zu gefährdeter Stelle

„Rettung und Heil“

 

„SEEFALKE“ über dem Wellensaum

Scharfen Auges durchdringe den Raum.

Schaue nach Beute.

Siehst Du sie, stoße mutig herab,

daß Du sie Schirmst vorm Wellengrab,

Güter und Leute.

 

„SEEFALKE“ mach Deinem Namen Ehr‘

Ruhmvoll durchfurche das weite Meer.

Kreuze mit Glück.

Dräuen die Wogen auch noch so sehr,

als ihr Bezwinger wiederkehr

stets zu uns zurück.

 

Der Spruch ist nicht als originales Dokument von 1924 vorliegend, sondern als Abschrift. Bei dem Gedicht aus vier Strophen handelt es sich um einen Schweifreim, wie er auch im bekannten Lied „Der Mond ist aufgegangen“ verwendet wird.

Die Formulierung des Taufspruchs muss ganz klar aus der Sicht seiner Zeit in der Weimarer Republik gesehen werden, insbesondere der Einstieg. Das Schiff entstand zu einer Zeit, welche heute als Beginn der Goldenen Zwanziger Jahre bezeichnet wird. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieg und den hervorgerufenen wirtschaftlichen Krisen begann ab ca. 1924 ein wirtschaftlicher Aufschwung. Dies schwingt deutlich im Text mit.

Der Spruch thematisiert in einer für einen solchen Weihespruch und für die Zeit typischen pathetischen Form wichtige Kenndaten des Schiffes. Die erste Strophe setzt den Rahmen und ordnet das Geschehen ein. Ein Schiff wurde zum Wohle des Reeders gebaut und soll nun vor dem Stapellauf geweiht werden.

Mit der zweiten Strophe wird der Name SEEFALKE enthüllt und auch gleich die Begründung für die Namenswahl gegeben. Es werden unterschiedliche (vermeintliche) positive Eigenschaften des Raubvogels hervorgehoben, wobei Rettung und Heil zu hinterfragen wäre.

Mit der dritten Strophe werden weiterhin die Eigenschaften des Vogels auf das Schiff bezogen, wobei das Schiff stärker in den Vordergrund tritt. Die Beute des Raubvogels wird mit Havaristen in Not gleichgesetzt. Hier kommt sehr stark die wirtschaftliche Erwartung an das Schiff zum Vorschein. Es handelt sich nicht um einen Seenotretter, welcher vorrangig das Wohl der Menschen im Sinn hat. In einer typischen Bergungssituation sind die in Gefahr befindlichen Seeleute bereits von anderen Schiffen übernommen worden. Der Schlepper ist in einer Weise ausgestattet, dass ein in Not geratenes Schiff gesichert und in den rettenden Hafen gezogen werden kann. Gleichzeitig stand das Schiff in einem dauerhaften Wettstreit mit konkurrierenden Unternehmen.

Die letzte Strophe rundet den Taufspruch mit dem Wunsch auf Erfolg der Unternehmungen und sicherer Heimkehr ab. Es ist bei der Taufe sehr bewusst, dass sich das Schiff für seinen Dienst in Gefahren begeben muss. Auch hier liest sich der kämpferische Ton als Bezwinger wiederheraus, welcher dem gesamten Spruch entspricht. Bemerkenswert ist, dass die klassische Verschleppung von großen Objekten keine Rolle spielt. Diese wurden vom Schiff und seiner Crew regelmäßig durchgeführt. Auch die Crew selbst spielt keinerlei Rolle. Allein das Schiff wird personifiziert angesprochen.

Schiffstaufen wurden immer wieder als politische Plattform genutzt und sind in diesem Zusammenhang vielleicht mit Grundsteinlegungen, Richtfesten oder Einweihungsfeiern vergleichbar. Ein wirtschaftlich, technischer Erfolg wird genutzt, um auch andere Botschaften und Signale in die Welt zu tragen. Nach der Taufe erfolgte in der Regel der Stapellauf. Hierin lag und liegt bis heute ein gewisses Risiko. Im schlimmsten Falle der Verlust des gesamten Schiffes vor den Augen aller Gäste. Im Falle des 399,90 Meter langen Containerschiffes BERLIN EXPRESS entschied sich die Reederei Hapag-Lloyd das Schiff aus Südkorea nach Hamburg fahren zu lassen, um dort am 2. Oktober 2023 durch Elke Büdenbender, die Frau des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier, die Taufe zu vollziehen. Ungewöhnlich, aber im Zeremoniell nach allen Regeln der Kunst, war die am 17.7.2024 durchgeführte Taufe der DSM EXPLORER im Inneren des Deutschen Schifffahrtsmuseums. Die Forschungsschiffsinstallation im Herzen der neuen Dauerausstellung „Schiffswelten – Der Ozean und wir“ erhielt damit einen Namen und wird hoffentlich, wie auch die SEEFALKE, lange und sicher ihrem angedachten Zweck dienen.

 

Seefalke

Die SEEFALKE auf offener See. Als Hochsee-Bergungsschlepper kam sie Schiffen in Not auf See zu Hilfe.
Foto: DSM / Archiv

Seefalke Taufspruch

Bei dem Taufspruch handelt es sich um eine Abschrift, nicht um das Original.
Foto: DSM

Seefalke im Museumshafen

Die SEEFALKE liegt seit 1970 im Museumshafen.
Foto: DSM / Lars Kröger

Seefalke im Museumshafen

Die SEEFALKE liegt seit 1970 im Museumshafen.
Im Jahr 2024 feiert das DSM den 100 Geburtstag des Hochsee-Bergungsschleppers mit verschiedenen Aktionen. So fand beispielsweise das erste Schifssdeckkriterium - ein Radrennen an Bord - auf der SEEFALKE statt.
Credit: DSM / Annica Müllenberg

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