Archivalie des Monats: Die Carta Marina und die Geschichte der nordischen Völker des Olaus Magnus

Blog |

In der Reihe "Archivalie des Monats" stellt das Deutsche Schifffahrtsmuseum (DSM) / Leibniz-Institut für Maritime Geschichte monatlich einen besonderen Schatz aus dem Archiv vor. Im Juli werden die Carta Marina und die Geschichte der nordischen Völker des Olaus Magnus vorgestellt.

Ein Wal, an dem ein englisches Schiff vor Anker gegangen ist und die Besatzung auf dem Rücken des Tiers ahnungslos Suppe kocht, Krebse, die so stark sind, dass sie einen schwimmenden Mann fangen und in ihren Scheren zerquetschen, ein Fisch, von der Größe eines Elefanten, der auf einen Berg zum Grasfressen steigt und sich zum Schlafen mit den Zähnen an Felsen festhängt, Enten, die aus der Frucht eines Baums gewachsen sind – diese und noch mehr solcher Unglaublichkeiten zeigt Olaus Magnus auf seiner Carta Marina, eine Karte der Länder des europäischen Nordens.


Olaus wurde 1490 in Linköping, 180 Kilometer südlich von Stockholm geboren, wurde Priester und ging 1518 mit einem päpstlichen Gesandten auf eine anderthalbjährige Inspektionsreise durch die Bistümer Schwedens und Norwegens. Im Jahre 1523 wird Olaus von König Gustav Wasa beauftragt nach Rom zu reisen, um vom Papst die Bestätigung der Wahl seines Bruders Johannes zum Bischof von Uppsala zu bekommen: Er kehrte nie wieder nach Schweden zurück. Zunächst ist Olaus noch weiter für den schwedischen König in Hansestädten unterwegs, bevor er sich mit seinem Bruder von 1526 bis 1536 in Danzig einrichtete: Inzwischen war in ihrer Heimat die Reformation eingeführt und damit die Unterstützung des Königs verloren, der ihr Vermögen beschlagnahmte. Unterstützt von Gönnern begannen die Brüder mit ihren wissenschaftlichen Arbeiten: Olaus mit der Beschreibung der Länder und Völker Nordeuropas, zunächst kartographisch als Carta Marina. Vom Papst nach Rom berufen, nahm Olaus die Arbeit daran erst wieder in Venedig auf, dank der Förderung des Patriarchen. Als wichtige Seehandelsstadt waren solche Projekte für Venedig auch im eigenen Interesse. Die Kartographie stand dort in einer längeren Tradition mit diesbezüglicher Infrastruktur, beispielsweise in Form qualitätsvollen Druckhandwerks. Im Jahr 1539 konnte Olaus daher schließlich die 1,25 auf 1,70 Meter große Karte, zusammengesetzt aus neun Papierbögen, drucken lassen. In der beigefügten lateinischen „kurzen Erklärung und Auslegung“ der Carta Marina weist Olaus schon auf sein geplantes ausführliches Buch über die Völker des Nordens, die Historia de gentibus septentrionalibus hin, woraus die hier vorgestellten Seiten stammen. In Rom druckte er schließlich 1555 das Buch: Nach dem Tod seines Bruders Johannes war Olaus inzwischen zum Titularbischof von Uppsala geweiht und Vorsteher des Birgitta-Hospitals in Rom und hatte in diesem Haus eine Druckerei eingerichtet. Im Jahre 1557 stirbt Olaus in Rom und wird wie in sein Bruder dort auch begraben.


Die Historia de gentibus septentrionalibus, die „Historien der mittnächtigen Länder von allerley Thun, Wesens, Condition, Sitten, Gebreuchen, Aberglauben, Underweisung, Übung, Regiment, Narung, Kriegsrüstung, auch allerley Zeug, Instrumenten, Gebeuwen, Bergwerk, Metall und anderen wunderbarlichen Sachen wahrhafftige Beschreibung, desgleichen auch von allerley vierfüssigen und andern Thieren so auff und im Erdtrich, Wasser und Lufft gedachter Orten leben und schweben thun,“ wie es in der Übersetzung des vollständigen Titels von 1567 heißt, ist in 22 Bücher mit 778 Kapitel gegliedert. Das hier vorgestellte Blatt der Ausgabe von 1555 stammt aus Buch 13 mit dem Titel De humano victo – Vom Ackerbau und menschlicher Nahrung und wurde 1996 aus einer Privatsammlung vom Schifffahrtsmuseum erworben. Von Klima und Geographie über Sitten und Gebräuche, Hausbau und Landwirtschaft bis hin zu den Tieren und Insekten, wie Schnaken, Bienen und Ameisen versucht Olaus mittels 481 Holzschnitten dem Leser den Inhalt, den er „auß selb eigner Erfahrnuß viler Jar lang zu Wasser und Land zusamen verzeichnet und beschryben“ hat, nahezubringen. Dabei integriert er wie auf der Carta Marina Dinge aus dem Reich der Fabel und Fantasie. Wie beispielsweise Herodot stellt Olaus in antiker Tradition dem Leser Wahres und Unwahres vermischt vor, eine genaue Trennung wurde nicht als notwendig erachtet. Nicht zuletzt kam der mündlichen Überlieferung auch zu seiner Zeit noch ein hoher Stellenwert zu. Eine Herausforderung stellte für Olaus sicher auch die Umsetzung seiner Beschreibungen durch die Künstler in Holzschnitte dar. Während die Szene zum neunten Kapitel realitätsnah wirkt (Abb. 1), erscheinen in der Abbildung zum zehnten Kapitel über den Transport von Getreide mit Flößen und Kähnen vor allem die Flöße stilisiert (Abb. 2; 3): Mehrere miteinander verbundene Flöße werden von einem Flussschiff gezogen, wobei die Floßplattformen in Drauf- statt in Seitenansicht dargestellt sind. Olaus stellt hier Flöße als Mittel zum Transport von Waren und Lebensmitteln vor: neben dem eigentlichen Transport von Holz zu seiner Zeit offenbar ein nicht unbedeutender Aspekt der Flößerei. Die dargestellten Waren umfassen etwa Gebinde von Holz und vor allem haufenweise Schüttgut, wohl Getreide in Behältnissen. Auf einem Floß steht ein Zelt, womit die Unterkunft der Flößer auf der Fahrt wohl bezeichnet sein soll. Den Mittelteil der Darstellung nimmt ein von zwei Männern gerudertes Boot ein, ebenfalls mit Schüttgut beladen. Im dazugehörigen Text stellt Olaus Danzig als reiche Kaufmannsstadt vor: „daselbst ein unschätzbarlicher Hauf von Getreid hin geführt wirt“ und „vil hundert grosser Schiff voll verkauft und in ferne Länder als in Portugall, Hispania, Franckreich, Engelland, Schottlandt, Hollandt und Brabant (…) mit gutem Gewin geführt werden“.
 

 

Seefahrtsbuch

Olaus Magnus, Die Wunder des Nordens. Erschlossen von E. Balzamo u. R. Kaiser (Frankfurt a. Main 2006); E. R. Knauer, die Carta Marina des Olaus Magnus von 1539 (Göttingen 1981); Olai Magni Historien der mittnächtigen Länder (…) übers. Johann Baptist Fickler (Basel 1567): urn:nbn:de:bvb:12-bsb11197033-8
Foto: DSM

Historisches Buch

Olaus Magnus, Historia de gentibus septentrionalibus, Buch 13, De humanu victu, Kap. 10 De frumentariis ratibus et lembis – Beschreibung des Waren- und Getreidetransports mit Flößen und Kähnen auf Flüssen nach Danzig sowie die europaweiten Handelsverbindungen dort.
Foto: DSM

Historisches Buch

Vergrößerte Abbildung zu Olaus Magnus, Historia de gentibus septentrionalibus, Buch 13, De humanu victu, Kap. 10 De frumentariis ratibus et lembis.
Foto: DSM

.svgNavPlus { fill: #002c50; } .svgFacebook { fill: #002c50; } .svgYoutube { fill: #002c50; } .svgInstagram { fill: #002c50; } .svgLeibnizLogo { fill: #002c50; } .svgWatch { fill: #002c50; } .svgPin { fill: #002c50; } .svgLetter { fill: #002c50; } Universität Bremen