Wie bringt man ein Forschungsschiff ins Museum?

Das renommierte Berliner Szenografiebüro chezweitz hat die neue Dauerausstellung „Schiffswelten – der Ozean und wir“ gestaltet. Gründer und Geschäftsführer Detlef Weitz spielte mit seinem Team die Stärken des hohen Gebäudes voll aus.

Herr Weitz, worin sehen Sie das Potenzial des Bangert-Baus am DSM?
‚Die erste Begegnung mit diesem Bau ist sehr eindrücklich: Ein Gefühl zwischen Kathedrale, großem Dampfer und Spielfeld. Darin liegt, glaube ich, auch die eigentliche Qualität. Es ist ein Gebäude, das unterschiedliche Raumzonen hat – und dennoch ist alles immer ein großer Raum. Das ist eine wunderbare Metapher für das, was heute eine Ausstellung im DSM sein möchte. Sie möchte die ungeheure Komplexität erlebbar machen, dass alles mit allem zusammenhängt und dass Mensch und Meer sozusagen ein so dichtes Beziehungsgeflecht eingegangen sind. Wo immer wir uns bewegen und etwas verändern, verändert sich an einer ganz anderen Stelle etwas mit. Und gleichzeitig ist es eine große Herausforderung, denn diese schiere Größe will gut organisiert werden, die Zusammenhänge sollen erlebbar gemacht werden. Die Besucher:innen brauchen Orientierung, damit sie sich überhaupt auf diese komplexen Inhalte ein lassen Schiffe können Sehnsuchtsorte oder Lieferfahrzeuge sein, Kriegstreiber oder Fluchthelfer, Umweltzerstörer oder Wissensspeicher. Fest steht: Ohne Schiffe wäre unsere Welt eine andere. Denn Schiffe bewegen – Menschen und Güter, Ideologien und Informationen. Schiffe sind Zeitzeugen – stumm und mitteilsam zugleich.

Sowohl die Architektur als auch die Umgebung des DSM sind stark maritim geprägt. Wie denken Sie beides in der Gestaltung zusammen?
Es gibt in dieser Hinsicht für uns eigentlich zwei zentrale Elemente. Einmal das sogenannte Kiesbett, das zentral in der Haupthalle durch das Gebäude läuft und an ein Gewässer oder Hafenbecken erinnert. Aus diesem architektonischen Motiv heraus haben wir einen Versammlungsort innerhalb der Ausstellung entwickelt, hinter dessen Fensterfront sich der Vorplatz anschließt. Dieser Platz könnte im Zuge der Sanierung des Scharoun-Baus zu einem Bezugspunkt werden, der beide Gebäude miteinander verbindet und das Museum auch außerhalb der Öffnungszeiten erlebbar macht. Das andere Element ist dieses riesig große Schaufenster, das den weißen Innenraum mit dem historischen Hafen und dem außenliegenden Gelände verbindet. So kommt es, dass man im Gebäude jeder äußeren Lichtveränderung immer im besten Sinne ausgeliefert ist. Ich kenne kein Museum, das eine solch offene Seite hat wie das DSM. Damit muss man sich als Gestalter auseinandersetzen. Die Öffnungen verhindern tagsüber viele Formen von Medialisierung. Bei Dunkelheit nutzen wir den umgekehrten Effekt, inszenieren und beleuchten das Museum als größte Schiffswelten-Vitrine – eine dynamische Lichtrauminstallation. Es gibt ganz viele Sinnesebenen inner- und außerhalb des Museums. Es ist für mich einfach ein außergewöhnliches Gebäude, das mit der maritimen Umgebung, mit dem Hafen und der großen Wesermündung zur Nordsee im produktiven Verhältnis steht.

Gibt es auch Lieblingsstücke und bestimmte museale Inszenierungen, die Ihnen besonders gut gefallen?
Das ungewöhnlichste Exponat, mit dem ich es je zu tun hatte, ist die Forschungsschiffs-Installation, die aus einer solchen Vielzahl von Exponaten, Funktionen und Experimenten im Raum besteht. Wir haben hier ein Großexponat generiert, dass über mehrere Ebenen begehbar ist, mit dem wir immer wieder unbekannte Terrains betreten. Ein solches szenografisches Exponat hat es in der Größe und Komplexität von chezweitz noch nicht gegeben. Es ist wie ein riesiger Apparat, wie ein Wunderwerk, das man in seiner Fülle gar nicht auf Anhieb verstehen kann, das aber zugleich eine Einladung zum Selbstforschen ist.

Trotz allem ist der Bangert-Bau auch eine Herausforderung hinsichtlich der Lichtverhältnisse, der Orientierung. Wie geht die Neugestaltung damit um?
Ich finde, die Faktoren, die Sie beschrieben haben, sind eigentlich gute Voraussetzungen. Wir haben im Dialog mit diesem sehr eigenständigen Gebäude klar erkennbare Zonen entworfen, die offen zueinander sind und wie klare Adressen funktionieren. Man spürt, ob man die rostig stählerne Werftstruktur begeht oder die Arbeitsdecks der schwebend transluzenten Forschungsschiffs-Installation oder ob wir uns unter Wasser bewegen und uns in Themen wie Biodiversität oder Umweltverschmutzung befinden. Die Besucher:innen fühlen sich ernst genommen und müssen nicht erst einen Wandtext durchlesen, bevor sie den Ausstellungsbereich betreten. Wenn Szenografie und Raumfigur eine inhaltliche Botschaft transportieren, dann ist das Erkennen und das Sich-darin-bewegen eine große Freude und Selbstverständlichkeit. Ich freue mich darauf, wenn Besucher:innen von der Welle im Eingangsbereich mit hunderten von kleinen Schiffsmodellen in die Ausstellung getragen werden.

Zur Person Detlef Weitz hat mit seinem Szenografiebüro chezweitz bereits Ausstellungen in zahlreichen bekannten Museen gestaltet. Dazu zählen das Jüdische Museum (Berlin), das Bauhaus-Museum (Dessau) oder das Stedelijk Museum (Amsterdam), für das er eine Andy Warhol-Ausstellung gestaltete, die 2011 mit dem Designpreis der Bundesrepublik Deutschland in Gold ausgezeichnet wurde. www.chezweitz.com

Kontakt

Thomas Joppig

0471 482 07 832

presse@dsm.museum

Gründer und Geschäftsführer Detlef Weitz und Ines Linder von der Agentur chezweitz.

Credit: DSM

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