Ein Silberbesteck der Arnold Bernstein Linie

In der Sammlung des DSM befindet sich ein mehrteiliges Silberbesteck der ehemaligen Arnold Bernstein Linie aus Hamburg.  Das Besteck ist am Griff mit dem Logo – den Initialen AB in einer Flagge – graviert. Der gebürtige Breslauer Arnold Bernstein (1888–1971) war ein jüdischer Großreeder, der mehrere Schiffslinien besaß.  Ab 1937 konnte Bernstein aufgrund nationalsozialistischer Pressur nicht mehr über sein Unternehmen walten.  Das besagte Besteck wurde auf den Schiffen der AB-Line genutzt und war damit Teil jenes Inventars, das 1938 durch den Treuhänder und späteren Nachfolger Marius Böger „verwertet“ wurde. Somit besteht für das sich im DSM befindliche Besteck ein verfolgungsbedingter Entzug.

Weltweit bekannt wurde Bernstein für seine revolutionären Erfindungen im Auto- und Traktorentransport zwischen den USA und Europa: Er beförderte die Fahrzeuge ohne die damals üblichen, aufwendigen Holzkisten und konnte so effizienter überführen und zudem die Frachtkosten senken. Zwischen 1928 und 1935 transportierte Bernstein mehr als 93.000 Automobile aus den USA nach Europa. Nach der Weltwirtschaftskrise war er vorwiegend in der Passagierbeförderung tätig. Auch hier hatte er ein besonders Konzept anzubieten: Auf seinen Schiffen existierte nur eine Klasse – die Touristenklasse – anstatt der damals üblichen drei Klassen. Zudem konnten die durchaus luxuriös untergebrachten Passagiere ihre Autos im Frachtraum der Schiffe zu ihrem Reiseziel mitnehmen.

Mit Genehmigung der nationalsozialistischen Regierung gründete Bernstein 1934 die Palestine Shipping Co. Ltd. Die in Haifa registrierte Linie hatte nur ein Schiff: die TEL AVIV (ehemals HOHENSTEIN). Anfang 1935 unternahm die TEL AVIV ihre erste Fahrt von Bremerhaven nach Haifa. Dabei trug das Schiff am Rumpf in hebräischen Lettern den Namen TEL AVIV, während vom Mast die Hakenkreuzflagge wehte.  Was zunächst absurd klingt, geschah jedoch auf Grundlage des 1933 zwischen Zionisten und dem Reichswirtschaftsministerium abgeschlossenen „Ha’avara-Abkommens für eine sichere Übersiedlung emigrierungswilliger jüdischer Bürger nach Palästina“ . 

Ein vorgeschobener Verdacht brachte Bernstein in Haft

1937 war Bernsteins Reederei mit über 1.000 Angestellten eines der größten jüdischen Unternehmen Deutschlands. Wegen angeblicher Devisenvergehen Bernsteins begann jedoch mit dessen Verhaftung durch die Gestapo am 25. Januar 1937 die Zerschlagung der Großreederei.  Der Vorwurf der hamburgischen Devisenstelle lautete, dass Bernstein jüdischen Bürgern über die Beteiligung an der Palestine Shipping Co. geholfen habe, Vermögenswerte illegal ins Ausland zu schaffen. Dieser vorgeschobene Verdacht war jedoch falsch, da die zwischen Triest und Haifa verkehrende Linie bereits 1936 wegen mangelnder Auslastung Konkurs anmelden musste und den Dienst einstellte. Vielmehr wollte man den erfolgreichen jüdischen Unternehmer aus dem Geschäftsleben verdrängen. So wurde Bernstein festgenommen und blieb bis zu einem ein Jahr später stattfindenden unwirklich anmutenden Schauprozess in Untersuchungshaft.

Am 7. Januar 1938 verurteilte das Sondergericht Hamburg Bernstein zu zwei Jahren und sechs Monaten Freiheitsentzug und einer Geldstrafe von einer Million Reichsmark. Unter diesem Druck musste Bernstein sein Unternehmen dem seit 1937 eingesetzten Treuhänder und ehemaligen HAPAG-Vorstandsvorsitzenden Marius Böger überschreiben. Ferner wurde er zum Verzicht auf sein komplettes Eigentum gezwungen. Um schließlich auch den Namen Bernsteins gänzlich aus der Öffentlichkeit verschwinden zu lassen, wurden alle Schiffe der Arnold Bernstein Schiffahrtsgesellschaft 1938 auf die neutraler klingende Red Star Line übertragen. Dies hatte zur Folge, dass das gesamte Inventar der Schiffe, die mit dem Logo der AB-Linie versehen war, verkauft und „verwertet“ wurde – unter anderem das sich im DSM befindliche Besteck.

Der einst erfolgreiche Reeder floh mittellos in die USA

Am 25. Juli 1939, nachdem Bernstein das gesamte Strafmaß im Konzentrationslager Fuhlsbüttel in Hamburg abgesessen hatte, wurde er entlassen, nicht zuletzt durch die Zahlung von 30.000 US-Dollar eines befreundeten Unternehmers an die nationalsozialistischen Behörden. Er floh mittellos in die USA.

Das Besteck der AB-Linie wurde 2012 vom DSM aus hamburgischem Privateigentum angekauft. Diese letzte Besitzerin ist heute verstorben. Es liegen bisher keine Information dazu vor, wann und wie das Besteck in ihre Obhut gelangte. Da evident ist, dass das im DSM befindliche Besteck aus dem enteigneten Unternehmen Bernsteins stammt, wurde Kontakt zu den Erben Arnold Bernsteins in den USA aufgenommen, um eine „gerechte und faire Lösung“ für den zukünftigen Verbleib des Silberbestecks zu eruieren.

Autorin: Dr. Kathrin Kleibl

 

 

Im Sammlungsbestand des Deutschen Schifffahrtsmuseums befindet sich ein Besteck der Arnold Bernstein Linie.

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