LIFTProv – Der Umgang mit Übersiedlungsgut jüdischer Emigranten in Hamburg nach 1939: Beteiligte, Netzwerke und Wege der „Verwertung“

Forschungsexpertise am Deutschen Schifffahrtsmuseum trägt Früchte. Provenienzforschung zum geraubten Hab und Gut jüdischer Emigranten geht in die zweite Runde.

 

Das Projekt LIFTProv stellt den zweiten Abschnitt der bereits zu Bremen begonnenen Forschungen zum Übersiedlungsgut jüdischer Emigranten dar. Das erfolgreich abgeschlossene Projekt zum Verbleib von NS-Raubgut am Deutschen Schifffahrtsmuseum (DSM) / Leibniz-Institut für Maritime Geschichte erfährt eine umfangreiche Erweiterung und wird durch das Deutsche Zentrum für Kulturgutverluste finanziell mit rund 200.000 Euro unterstützt. Als logische Konsequenz der Forschungen an Sammlungsobjekten im Museum und Materialien aus Bremen wird der Radius der Untersuchungen nun auf Hamburg erweitert. Kooperationspartner sind neben der Hamburger Kunsthalle, dem Museum für Kunst und Gewerbe, dem Altonaer Museum und dem Museum am Rothenbaum, das Staatsarchiv und die Hamburger Staatsbibliothek.

 

Für als Jüdinnen und Juden aufgrund der NS-Ideologie verfolgte Menschen war ab 1933 die Emigration aus dem Deutschen Reich oftmals der einzige Weg, das eigene Leben und das der Familie zu retten. Detaillierte Packlisten waren dabei der Gestapo vorzulegen und hohe Abgaben zu zahlen. Das Übersiedlungsgut - in Lifts und Kisten verstaut - verließ Deutschland mit Frachtschiffen meist über die Häfen Hamburg und Bremen. Das Transportgut wurde von Speditionen in den Hafen verbracht und lagerte dort bis zur Verschiffung.

 

Mit Kriegsbeginn im September 1939 stellte man die zivile Schifffahrt weitestgehend ein. Noch nicht verladene Frachten verblieben in den Lagern, bereits ausgelaufene Schiffe wurden zurückbeordert. Ab Frühjahr 1940 beschlagnahmte die Gestapo das Übersiedlungsgut, um deren Inhalt zu „verwerten“ und die Erlöse dem Deutschen Reich zukommen zulassen. Die Privatgegenstände der Emigranten wurden im Auftrag der Oberfinanzdirektion öffentlich meistbietend versteigert. Käufer waren nicht nur Privatpersonen, sondern auch Händler, Museen und Bibliotheken.

 

Die bereits im Vorgängerprojekt erstellte Datenbank zum Übersiedlungsgut wird nun durch wichtige Informationen zu den Vorgängen in Hamburg erweitert und mit der mühsam erarbeiteten Expertise durch das zweiköpfige Team des DSM weiterhin begleitet. Die Datenbank soll es zukünftig den Kooperationspartnern in Hamburg und Teilen der Öffentlichkeit ermöglichen auf Informationen zu Objekten, die während der NS-Zeit beschlagnahmt und versteigert wurden, und deren Eigentümern, zuzugreifen.

 

Projektleiterin Dr. Kathrin Kleibl erklärt, wie sich im Laufe des angestoßenen Forschungsprozesses Überschneidungen und Namensgleichheiten finden lassen: „Speditionen, Hafengesellschaften, Zollbehörden, die Gestapo, Treuhänder und die Gerichtsvollzieherei haben die Güter und ihre Wege gut dokumentiert, so dass wir nachvollziehen können über welche Umwege ein Gegenstand an einen neuen Besitzer gelangt ist. Teilweise wurden Objekte über Zwischenhändler verkauft bevor sie einem Museum angeboten wurden. Bestimmte Namen tauchen dabei immer wieder auf.“ Ziel des Projekts ist es, den Weg des Übersiedlungsgutes vom Verlassen des Hauses des Eigentümers bis hin zum neuen Besitzer detailliert nachzuzeichnen, um eine Grundlage für die Auffindung und Restitution der verschollenen Gegenstände und Kunstwerke zu ermöglichen.

 

Kleibl weiter: „Das Projekt LIFTProv leistet Grundlagenforschung und eine überfällige Aufarbeitung vorhandener Dokumente in den Archiven. Neben dem Wiedergutmachungswillen und der angestrebten Rückgabe von Objekten an die Erben werden die Vorgänge und involvierten Beteiligten historisch neu eingeordnet.“ Ab Oktober 2020 wird das DSM-Team der am Haus angesiedelten Provenienzforschung das Projekt in die zweite Phase mit dem Fokus auf der Region Hamburg erweitern.

 

 

Team

Dr. Jacqueline Malchow (Teamleitung), j.malchow@dsm.museum

LostLift Datenbank

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Bildnachweis Titelbild

Mit freundlicher Genehmigung des Speicherstadtmuseums Hamburg (Gustav Werbeck/HHLA-Fotoarchiv) zur Verfügung gestellt.

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