Die SEUTE DEERN bleibt digital für die Nachwelt erhalten
Wo befand sich das Steuerrad der SEUTE DEERN? Wie groß war der Anker? Wie viele Nägel hielten die Planken zusammen? Als Wahrzeichen Bremerhavens spielt die SEUTE DEERN eine entscheidende Rolle. Damit sie auch nach dem Rückbau in Erinnerung bleibt und es Antworten auf Detailfragen gibt, haben Vermessungsingenieure sie genau unter die Lupe genommen. Ziel war es, so viele Daten wie möglich zu sammeln, um das Segelschiff digital zu erhalten.
Einen kompletten Tag waren Volker Platen und sein Team von der Firma denkmal3D damit beschäftigt, mit modernster Technik Scans der SEUTE DEERN zu erstellen. Rund um das Schiff und an Bord vermaßen die Ingenieure Zentimeter für Zentimeter. Vier Milliarden Messpunkte und 250 Scans kamen zusammen. Sie wurden im Anschluss zwei Tage am Computer zu einer sogenannten Punktwolke zusammengesetzt, die ein genaues Bild des Ist-Zustandes des Seglers zeigt. Mit dem so entstandenen Positionierungsplan kann das Deutsche Schifffahrtsmuseum (DSM) / Leibniz-Institut für Maritime Geschichte nach dem Rückbau arbeiten.
In erster Linie dienen die erstellten Daten der Dokumentation. Das DSM möchte die SEUTE DEERN als Teil des denkmalgeschützten Museumshafen-Ensembles so gut wie möglich erfassen. Das Geld für den Auftrag kommt aus dem Haushalt der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, Prof. Monika Grütters. 267.000 Euro stehen für die Dokumentation, die Erstellung eines technischen 3D-Modells, die Bergung wiederverwendbarer Bestandteile sowie deren Restaurierung und Einlagerung zur Verfügung.
„Dank der Unterstützung der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien haben wir die Chance, die SEUTE DEERN dreidimensional zu scannen“, sagt Prof. Dr. Sunhild Kleingärtner, Geschäftsführende Direktorin des DSM. „Die Daten können Grundlage für einen Nachbau und ein mögliches virtuelles Modell sein. Die musealen Sehgewohnheiten unserer Gäste ändern sich und wir möchten allen Generationen einen spannenden und nachhaltigen Besuch ermöglichen. Aus diesem Grund ist es wichtig, neue digitale Angebote zu schaffen. Der Erfolg unserer 360° POLARSTERN-Ausstellung mit ihren Virtual Reality-Elementen bestärkt uns darin, dahingehend noch attraktiver zu werden.“
Für die Datenerfassung nutzte Volker Platen einen 3D-Laserscanner mit einem Kamerasystem, das auch fotorealistische Abbildungen in Farbe erzeugt. Neben der Geometrie wird so auch die Farbe der gescannten Flächen erfasst und gespeichert. „Mit den Daten kann man eine ganze Menge machen. Sie können Grundlage für einen Nachbau, einen 3D-Druck oder ein 3D- oder VR-Modell sein“, sagt der Geschäftsführer von denkmal3D. Der Auftrag sei ein besonderer gewesen, so Platen, denn im Tagesgeschäft scannt die Firma aus Vechta Kulturdenkmäler wie das Schloss Burg bei Solingen oder die Frankfurter Paulskirche und Industrieanlagen wie das Kellogg-Gelände in Bremen – Schiffe seien zwar immer wieder dabei, dann handele es sich aber häufig um neue Modelle. An einem mehr als 100 Jahre alten Holzsegler arbeite er nicht jeden Tag, nur ein Beispiel sei in dieser Kategorie noch erwähnenswert: Der Scan eines 5000 Jahre alten Einbaum-Bootes vom Dümmer See.
Für Dr. Lars Kröger, Projektleiter Museumshafen am DSM, steht die Dokumentation im Fokus: „Mit den Scan-Daten füllen wir eine Lücke im Bestand. Bisher gab es keine Konstruktionspläne der SEUTE DEERN. Die Technologie macht die Sicherung des Ist-Zustandes möglich und letztendlich bietet sie die Grundlage für weitere Nutzungsoptionen, beispielsweise in Form eines virtuellen Spaziergangs durch das barrierefreie Modell.“ Direkt nach dem Untergang führte eine Firma bereits eine fotografische und beschreibende Bestandaufnahme durch, der Digitalscan des leeren Schiffskörpers komplettiert die Dokumentation.
Der Vorgang des Sammelns und Dokumentierens gehört im Bereich der Denkmalpflege zum Standard – von historischen Schiffen gibt es jedoch seltener digitale Vermessungen.
Nach den Bestimmungen des Denkmalschutzgesetzes sei es möglich, ein Objekt aufzugeben, wenn es so stark geschädigt ist, dass es nur mit unverhältnismäßigem Aufwand erhalten werden könnte und dabei womöglich die Authentizität nicht mehr gewährleistet ist, sagt Prof. Dr. Georg Skalecki, Landeskonservator im Landesamt für Denkmalpflege. „So ist es hier. Dann ist aber denkmalpflegerischer Standard, eine Dokumentation des letzten Zustandes durchzuführen. Die durchgeführte Dokumentation wird jetzt noch durch eine Digitalvermessung ergänzt, sodass man auch später zumindest auf diesem Wege noch eine Ahnung des verlorenen Kulturgutes haben kann.“
Nachdem Volker Platen und sein Team die ersten Daten bearbeitet haben, stehen im Zuge des Rückbaus demnächst weitere Messungen an.
Foto: DSM / Mareike Heger
v.l.n.r.: Prof. Dr. Sunhild Kleingärtner, Geschäftsführende Direktorin des DSM, Dr. Lars Kröger, Projektleiter Museumshafen am DSM, Landeskonservator Prof. Dr. Georg Skalecki, Landesamt für Denkmalpflege, Volker Platen, Geschäftsführer des Unternehmens denkmal3D