Jagd im und auf dem Meer
Vom meterhohen Scherbrett bis zum Mikroplastik – der Bereich „Schiff und Umwelt“ in der neuen Ausstellung „Schiffswelten – Der Ozean und wir“ demonstriert detailliert, in welchem Umfang Menschen sich am Meer bereichern.
Unsere Erde ist zu 71 Prozent vom Wasser bedeckt – ein scheinbar unbegrenztes Ressourcenparadies, soweit das Auge reicht. Menschen leben seit Jahrtausenden vom Meer. Allerdings wächst der Hunger auf die Unterwasserschätze stetig weiter.
„Wir fragen in dem Bereich ,Schiff und Umwelt‘, wem das Meer gehört und zeigen, wie die See industriell genutzt wird“, erklärt Kurator Dr. Sven Bergmann, während er unter dem Pottwal-Skelett entlang läuft und an der Harpunenkanone stoppt. Walfang, Fischerei, Tiefseebergbau und Munition am Meeresboden – das sind die Themen, die nachdenklich machen. „Mit der Entwicklung der Harpunenkanone 1864 begann die industrielle Jagd auf Wale. Vor allem das Öl der Säuger war interessant. Man verwendete es für Lampen, Margarine und Waschpulver“, weiß Bergmann. Der letzte indirekte Zeuge des Walfangs im Nationalsozialismus ankert direkt im Museumshafen: Der Walfänger. RAU IX war zwar nie auf See, um Wale zu fangen, wurde aber als letztes Fangboot der Flotte gebaut und erinnert daran, dass Deutschland zu dieser Zeit die drittgrößte Walfangnation war.
Nicht alle ausgestellten Objekte stehen auf den ersten Blick in Zusammenhang mit Walen. „Speziell sind die Scrimshaws, verzierte Walknochen, die als Kunsthandwerk gehandelt wurden. Die Seeleute schnitzten sie in ruhigen Phasen auf See. Grammophonnadeln wurden ebenfalls aus Walknochen hergestellt“, so Bergmann, während er neben einem vier Meter hohen Scherbrett zum Stehen kommt.
Wuchtig präsentiert es sich als höchstes Objekt im weiten Gebäude. In der internationalen Fischindustrie ist es dagegen ein winziges Beiwerk – so überdimensioniert sind die Fangmengen mittlerweile. „Die Netze sind heute mehrere hundert Meter lang. Zwei Scherbretter halten sie offen. Eine Grafik zeigt, wie klein die eigentlich sind im Vergleich zum Netz“, meint Bergmann und deutet auf das ausgestellte Zeesboot aus dem 19. Jahrhundert. Es brachte eine Tonne Fang in den Hafen. „Die größten Trawler heute holen mit einer Fahrt 7.000 Tonnen ein – es sind schwimmende Fabriken, in denen zerlegt, verarbeitet und gekühlt wird.
Überdimensionale Ernte und Übermaß an Verschmutzung: Nicht nur, dass Menschen viel aus dem Meer holen – sie hinterlassen auch ihren Abfall dort. Bergmann schaut seit Jahren, wann immer es sich anbietet, am Strand nach Müll. „Das ausgestellte Mikroplastik stammt von meinen Spaziergängen und vom AWI. Es hilft mir bei Recherchen für das DFG-Netzwerk ‚Abfall in Bewegung‘“, erklärt der Forscher, der zuletzt für das europäische Projekt „North Sea Wrecks“ untersuchte, welche Auswirkungen rostend-giftige Weltkriegsmunition am Meeresboden der Nordsee auf Flora und Fauna haben.
Die frühere Wanderausstellung mit Hands-on-Modellen findet ihren finalen Stopp in den Schiffswelten. Gäste werden dort selbst zu Forschenden, die zu Wracks tauchen, um Proben zu nehmen. „Die Ausstellung hatte bisher sehr viel Publikum aus allen Altersklassen. Das Thema ist spannend und viele wollen wissen, welchen Einfluss der Munitionsmüll hat und welche politischen Aufträge folgen müssen.“
Der Kurator Dr. Sven Bergmann schaut die Fischkonserven durch.
Credit: DSM / Annica Müllenberg