Das Rettungsboot zieht neben die Knopfsammlung
Schiffsmodelle in Holzkisten, mit Seidenpapier und Folie umwickelte Gemälde und ganze Boote unter Planen: Objekte, die sonst den Besuchern im Deutschen Schifffahrtsmuseum / Leibniz-Institut für Maritime Geschichte (DSM) die Vergangenheit der Seefahrt näherbringen, sind derzeit fein säuberlich verpackt. Auf vielen Hundert Regalmetern liegen die Exponate dicht an dicht in einer Halle im Bremerhavener Fischereihafen, während sich das DSM neu aufstellt. „So sieht es aus, wenn fast ein ganzes Museum eingelagert wird“, sagt Annika Opitz, die den Umzug und die Erfassung der Objekte leitet. Bei der Vielzahl von Gegenständen aller Art ist es wichtig, den Überblick zu behalten. Denn trotz des Umbaus fordern Forscher und Museen immer wieder einzelne Ausstellungsstücke an.
Damit alle Objekte schnell gefunden werden können, kleben an jeder maßgefertigten Kiste in dem hell erleuchteten Lager ein QR-Code, eine Inventarnummer mit den Maßen und eine Abbildung des jeweiligen Gegenstands. Jedes einzelne Exponat erfassen die Mitarbeitenden des DSM vor dem Verpacken digital. Dabei wird deutlich, welchen riesigen Umfang die Sammlung hat. „Gut 50.000 Objekte sind es, wenn man jeden einzelnen Löffel mitzählt. Es ist schon interessant, wie viele Knöpfe, Mützenbänder und Schulterklappen wir haben“, erläutert Annika Opitz. Nur etwa ein Viertel der Sammlung war für die Besucher des DSM zu sehen. Der Großteil lagerte im Magazin. Bereits seit 2016 läuft die Erfassung der kompletten Sammlung. Dabei überprüfen die Mitarbeitenden auch den Zustand der Stücke und stellen fest, ob sie transportiert werden können. „Wir lernen unsere Objekte noch einmal anders kennen“, sagt Annika Opitz. Inzwischen fehlen ihrem 12-köpfigen Team bei ihrer Inventur nur noch bis zu 3000 Objekte.
Sobald die Gegenstände erfasst sind, machen sich die Kollegen der Holzwerkstatt an die Arbeit. „Unsere Objekte haben keine Standardmaße. Die Kisten werden extra gefertigt“, sagt Annika Opitz. Dabei passen längst nicht alle Stücke der Sammlung in Kisten. Deutlich wird das etwa bei dem Segelrettungsboot GEHEIMRAT HEINRICH GERLACH: Das zehn Meter lange und 3,6 Meter breite Wasserfahrzeug liegt aufgebockt und mit Planen abgedeckt in einer Ecke des Lagerraums. Es musste auf einem Tieflader vom DSM in den Fischereihafen gefahren werden. „Wir haben dafür extra ein großes Tor in die Halle eingebaut. Jede Lieferung bringt neue Herausforderungen“, sagt Annika Opitz. Die GEHEIMRAT HEINRICH GERLACH ist aber auch der größte eingelagerte Gegenstand. „Der Scharoun-Bau ist architektonisch spannend, stellt beim Ausräumen aber eine echte Herausforderung dar“, sagt Annika Opitz, die seit 2015 am DSM tätig ist. Da es sich um den ersten fast kompletten Umzug seit der Eröffnung des DSM im Jahr 1975 handelt, gebe es keine Erfahrungswerte. Erst, wenn die Ausstellungsstücke verpackt sind, gehen sie auf ihre Reise in das Zwischenlager.
Einige Objekte bleiben während der Sanierung im DSM und ziehen nur innerhalb des Hauses um. So zum Beispiel die beiden nach ihren Schiffen „Hertha“ und „Elisabeth“ getauften hölzernen Gallionsfiguren. Sie gehören seit 1975 zur Ausstellung und haben sich über die Jahrzehnte an das besondere Raumklima im DSM gewöhnt. Laut Annika Opitz könnten durch den Umzug in eine andere Umgebung Schäden entstehen. Obwohl im Interimsdepot im Fischereihafen genau auf Temperatur und Luftfeuchtigkeit geachtet wird: „Es ist ein gutes Klima hier, aber kein Museumsklima“, unterstreicht Annika Opitz. Im Sommer wird die Luft entfeuchtet, im Winter befeuchtet. Außerdem sorgen Heizungen dafür, dass die Temperatur in dem rund 2000 Quadratmeter großen Raum nicht unter 17 Grad sinkt.
Im Museum warten noch etwa 500 Objekte auf ihren Abtransport. „Bis Ende September müssen sie drüben sein“, sagt Annika Opitz. Der Zeitplan könne aber gut eingehalten werden. Die Gegenstände verteilen sich auf das Interimsdepot im Fischereihafen und ein weiteres, ebenfalls rund 2000 Quadratmeter großes Depot. Schon im Sommer 2017 hat der Umzug aus dem Bangert-Bau begonnen, der Scharoun-Bau wird seit dem vergangenen Jahr ausgeräumt. Die aktuellen Depots sind nur eine Zwischenstation. Später sollen die Ausstellungsgegenstände in ein geplantes Forschungsdepot an der nahegelegenen Eichstraße ziehen. Dessen Spatenstich ist für November 2019 vorgesehen. Dieses Forschungsdepot soll eigene Räume mit idealen Bedingungen für die verschiedenen Exponate bieten. Zurück in das DSM kommt ein Teil der Ausstellungsstücke voraussichtlich ab 2021 nach dem Ende der Sanierungsarbeiten.
Bis zu diesem nächsten Umzug bleiben die meisten Objekte eingepackt. Einzelne Gegenstände werden auch zwischendurch für die Forschung oder als Leihgaben benötigt. „Unsere Wissenschaftler müssen an die Objekte kommen“, sagt Annika Opitz. Im vergangenen Jahr war zum Beispiel eine Bordapotheke aus dem Bestand des DSM Teil einer Ausstellung im Historischen Museum in Berlin. Das Freilichtmuseum Natureum zeigt derzeit große Fischstäbchenmodelle, die aus dem Lager im Fischereihafen kommen. Gefragt sind auch die zum Teil sehr detailgetreuen Schiffsmodelle.
Welche der eingelagerten Stücke künftig im DSM zu sehen sein werden, steht noch nicht endgültig fest. Nach ihrer Zeit im Depot folgen Untersuchungen auf mögliche Schäden. „Wenn die neuen Ausstellungen konkret werden, müssen Restauratoren die Ausstellungsfähigkeit der Objekte überprüfen“, sagt Annika Opitz. Doch das DSM-Team setzt alles daran, dass die Gegenstände in der Zwischenzeit so gut wie möglich untergebracht sind.
Foto: DSM / Lennart Edel