Auf einer Wellenlänge – die Funkerin von der SEEFALKE
DL2BJW – für viele eine kryptische Buchstaben- und Zahlenabfolge, für Marita Westphal-Blome eine Identität. Sie ist Funkamateurin auf dem Museumsschiff SEEFALKE, das zum Deutschen Schifffahrtsmuseum (DSM) / Leibniz-Institut für Maritime Geschichte gehört. Von der kleinen Kabine an Bord aus sendet sie Rufe um die Erde. Demnächst können Gäste sie in Aktion erleben: Am Sonntag, 31. Juli, laufen beim Tag der Seenotretter die Drähte heiß und Amateurfunker:innen sind buchstäblich auf einer Welle und versuchen, ein Diplom zu ergattern. Und auch während der Maritimen Tage vom 17. bis 21. August ist Marita Westphal-Blome selbstverständlich an Bord und sucht am Internationalen Leuchtturm- und Feuerschiff-Wochenende Kontakt zu Gleichgesinnten.
Wenn Jack Phillips, diensthabender Funker auf der TITANIC, die Eisbergwarnung eines anderen Schiffes nicht barsch weggewischt hätte, um die Leitung für Urlaubsgrüße der Passagiere freizuhalten und es damals einen einheitlichen Notruf-Code gegeben hätte, dann wäre die TITANIC wohl nicht als Unglücksschiff in den Köpfen verankert. „Die Katastrophe war der Anlass für die Einführung internationaler Standards, die SOLAS-Convention, Safety of Life at Sea. Seitdem ist das SOS-Signal aller Welt als Rettungsruf bekannt“, weiß Marita Westphal-Blome. Seit 2015 ist die Amateurfunkerin alleinige Herrin der Station auf der SEEFALKE und lauscht dort regelmäßig in den Äther. Stapelweise bunte QSL-Karten zeugen wie Postkarten von ihren „Funkweltreisen“, die sie via Knopfdruck aus der kleinen Kammer gleich neben der Kapitänskajüte führt. „Die QSL-Karten erhalte ich nach einem Funkkontakt als Bestätigung. Je nach Anlass sind sie hübsch gestaltet. Besonders stolz bin ich auf ein Exemplar, das ich zum 100. Jahrestag des TITANIC-Untergangs bekam, zu dem es einen Funktag gab“, erzählt die 69-jährige Bremerhavenerin, die über ihren Mann 1994 zum Funken kam.
1976 nahm die Funkstation an Bord des historischen Hochseebergungsschleppers SEEFALKE den Betrieb auf und erinnert in maritimem Ambiente an den überlebenswichtigen Draht, den eine Schiffscrew auf See zum Land hatte. In Zeiten von Smartphone und sozialen Medien sind Morse- und Funknachrichten nicht mehr essenziell, bei Jüngeren wahrscheinlich kaum bekannt. Heiß geliebt wird der Sprechfunk, der um 1900 als bahnbrechendes neues Kommunikationsmedium eingeführt wurde, jedoch von Nostalgiker:innen und den Mitgliedern des Deutschen Amateur-Radio-Clubs, dem auch Marita Westphal-Blome angehört. „Früher waren wir im Ortsverband Bremerhaven 150 Leute, mittlerweile sind es noch 54“, sagt die Amateurfunkerin, die nicht müde wird, Schiffsgästen die spannende Welt der Kurzwellen zu erläutern – auch in der Hoffnung, Nachwuchs zu gewinnen.
Als eine der wenigen Frauen hat sie häufig „Vorfahrt“ bei Stau in der Leitung. Die Abkürzung YL – das steht für Young Lady – klärt alle Mitfunkenden darüber auf, wer sich am anderen Ende befindet. „Es gibt rund 75.000 Funkamateure in Deutschland, zehn Prozent davon sind weiblich. In Bremerhaven gibt es drei Frauen. Als eine von ihnen habe ich häufig einen Vorteil und komme schnell ins Gespräch“, sagt die einstige Fremdsprachenkorrespondentin, deren Englischkenntnisse vorteilhaft für die internationale Kommunikation sind. Ein normaler „Kontakt“ über Funk verläuft nach strikten Regeln und hat mit schnellem Smalltalk wenig zu tun: „Üblicherweise tauschen wir uns darüber aus, von wo wir funken und mit welcher Art von Technik. Die Tatsache, dass ich auf einem Museumsschiff sitze, sorgt häufig für Staunen.“
Obwohl der Austausch auf Distanz stattfindet, brachte Corona den Funkbetrieb in den letzten zwei Jahren zum Erliegen. Deshalb freut sich die Funkerin auf den 31. Juli, den Tag der Seenotretter, an dem sie an Bord sein wird, sich beim Funken über die Schulter schauen lässt – und anderen über die Schulter sieht: Funkamateur:innen können nämlich dann das DGzRS-Diplom bei Westphal-Blome erlangen. „Seit den 70er Jahren gibt unser Ortsverband Bremerhaven dieses Diplom zugunsten der DGzRS heraus. Die Teilnahmegebühr fließt als Spende an die Seenotretter. Eine persönliche Übergabe hat auch schon mal auf der SEEFALKE stattgefunden“, sagt die Amateurfunkerin.
Während der Maritimen Tage vom 17. bis 21. August laufen die Drähte ebenfalls heiß. Die Bremerhavenerin ist dann täglich von 10 bis 17.45 Uhr auf der SEEFALKE. Highlight ist das Wochenende: „Am 20. und 21. August steht das International Lighthouse / Lightship Weekend in meinem Kalender. Mit einem befreundeten Paar suche in dann nach Kontakten zu Leuchttürmen und Feuerschiffen.“
Marita Westphal-Blome in der Funkerkajüte auf der SEEFALKE mit einer kleinen Auswahl Funkkontakt-Karten.
Foto: DSM / Annica Müllenberg