Arbeiten für neue Dauerausstellung: Forschungsschiff im Museum wächst täglich
Beißender Geruch von frischer Farbe liegt in der Luft, Akkuschrauber heulen auf und treiben Schrauben ins Holz, ein Mini-Kran hebt eine Winde mit Stahlseilen durch die Luft – im Erweiterungsbau des Deutschen Schifffahrtsmuseums (DSM) / Leibniz-Institut für Maritime Geschichte tost die Baustelle, denn die Dauerausstellung „Schiffswelten – Der Ozean und wir“ entsteht. Das Herz der neuen Schau wird im Zentrum des Gebäudes schlagen. Dort wächst derzeit ein Forschungsschiff unter den Augen des Bauleiters Jakob Florian Lehner. Sein Schreibtisch steht in Sichtweite zur Werft – wie er die Baustelle liebevoll nennt.
Einen Segelschein hat Jakob Florian Lehner seit er Teenager war. Bereits damals wusste er den Wind auf dem Starnberger See geschickt in die Segel des Familienbootes zu lenken. Seit November letzten Jahres genießt er die frische Brise an der Nordsee – und baut an Land sein erstes Schiff. „Am Segelboot habe ich viele Jahre geschraubt und repariert, aber jetzt arbeite ich zum ersten Mal auf einer Werft und baue ein Schiff“, erzählt Lehner und schmunzelt. Als Bauleiter der Firma Kubix koordiniert er alle Gewerke, sodass die Forschungsschiff-Installation ausstellungsreif wird. Der Kiel wurde bereits erfolgreich verlegt. Mitten im Zentrum des lichtdurchfluteten Erweiterungsbaus nimmt das stilisierte Schiff Tag für Tag Form an. Die orange-roten Antennen und Kräne lassen Erinnerungen an die POLARSTERN wach werden. „Das Besondere ist, dass wir ganz konsequent ein Exponat aufbauen. Objekte sind natürlich in Museen bereits vorhanden, wir schaffen aber nun einen Bau im Bau“, sagt Lehner, der bereits seit 30 Jahren Ausstellungen in Museen und auf Messen in Deutschland und im Ausland koordiniert.
Mit 34 Metern Länge, 7,5 Metern Breite und einer Höhe von 13 Metern kommt die Installation zwar nicht an die tatsächlichen Ausmaße der POLARSTERN heran, eine ausgemusterte Tiefseewinde, die verbaut wurde, sorgt jedoch dafür, dass beim Borden ein POLARSTERN-Gefühl aufkommt. Zudem erleben zwei Schleppmodelle aus der DSM-Sammlung ihre große Stunde und Ausstellungspremiere. Mit ihnen testete man vor der ersten Fahrt des Eisbrechers in den 80er Jahren dessen Fahrqualitäten und Fähigkeiten, durchs Eis zu fahren. Die Gäste werden ab Mitte Juli drei Decks erkunden können: Im Container auf dem Arbeitsdeck erzählen Forschende in Medienstationen, wie sie im „schwimmenden Labor“ Proben analysieren. Ein Blick in den Laderaum macht deutlich, welche Geräte beispielsweise für Bodenproben in der Tiefsee verwendet werden. Von der Brücke haben Gäste bald einen freien Blick in den gesamten Raum.
„Seit November arbeiten wir mit bis zu 20 Personen im DSM. Rund 50 Tonnen Stahl stecken in dem Schiff, dazu kommt das Holz“, zählt der Bauleiter auf und schaut durch den kirchenschiffartigen Bau, in dem täglich mehr vom Forschungsschiff erkennbar wird. „Es ist fast wie im echten Schiffbau. Es werden Spanten gesetzt, am Ende fehlt nur die Schiffshaut“, so Lehner über das stilisierte Forschungsschiff.
Der Erweiterungsbau gefällt ihm, obwohl dort einige Herausforderungen lauern, die der Crew kreative Ideen abverlangen. „Wir konnten kein schweres Gerät für den Aufbau nutzen und mussten das Stahlgerüst quasi händisch mit traditionellen Handwerksmethoden einbauen. Wir nutzten Flaschen-, Seil- und Kettenzüge. Teilweise war das ähnlich wie bei den Amischen in Philadelphia – wir hätten zwar gern mehr Technik gehabt, die Statik gab es aber nicht her.“ Dem Richten des Mastes auf der Brücke schaute Lehner demnach auch mit erhöhtem Puls entgegen. Das Team meisterte die Montage aber ohne Blessuren am Dach. Im Anschluss stand - wie seit Jahrhunderten auf dem Bau üblich - das Richtfest an.
Lehner hat in seinem Logbuch – wie er sein Bautagebuch nennt – Mitte März im Kalender markiert, dann soll das Schiff symbolisch vom Stapel laufen. Gemäß der maritimen Tradition stünde dann die Schiffstaufe an. Ginge es nach dem passionierten Segler, liefe die ganz klassisch ab: „Es müsste natürlich mit einer Flasche Champagner getauft werden und der Name wäre einfach ´Forschungsschiff`. Um Neptun milde zu stimmen, müsste nach dem Ablegen der erste Schluck Rum ins Meer geschüttet werden, so kenne ich es. Ich wünsche unserem Schiff in jedem Fall immer eine Handbreit Wasser unter dem Kiel und allzeit gute Fahrt! “
Die Ausstellung „Schiffswelten – Der Ozean und wir“ soll ab 18. Juli 2024 im Erweiterungsgebäude eröffnet werden.
Bauleiter Jakob Florian Lehner auf der Baustelle im Erweiterungsbau.
Credit: DSM / Annica Müllenberg