Workshop: Historische technische Instrumente. Zirkulation, Ansammlungen und Dokumente des Entzugs zwischen 1933 und 1945
Die Veranstaltung des vom Deutschen Zentrum für Kulturgutverluste geförderten Projekts "INSIGHT D.O.M. - Provenienzforschung zu Ankäufen, Schenkungen und Erwerbungen im Deutschen Optischen Museum (D.O.M.) zwischen 1933 und 1945" des Deutschen Optischen Museums in Jena findet am 23.09.2021 als Online-Workshop statt.
(Anmeldung bis 20.09.2021 erforderlich).
Für die Erforschung des Kunsthandels mit technischen Instrumenten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist der Auktionskatalog "Sammlung Mensing. Alte wissenschaftliche Instrumente" aus dem Jahr 1924 interessante Informationen. Hier kann man u.a. lesen: "Das Interesse an den alten wissenschaftlichen Instrumenten hat in der jüngsten Vergangenheit, etwa seit der Jahrhundertwende, erheblich zugenommen. [...] Dieses gesteigerte Interesse an allen Instrumenten steht heute bereits in umgekehrtem Verhältnis zum Marktangebot." Außerdem deutet der Katalogtext darauf hin, dass sich bereits vor 1933 eine Sammlergemeinschaft für technische Instrumente etabliert hatte. Der Katalogautor Max Engelmann spricht ausdrücklich "öffentliche Museen und Privatsammler" als "Liebhaber und Kenner" an, die das wissenschaftliche Instrument "nicht mehr allein nach seinem Inhalt als Antiquität, als Zeuge einer bestimmten Stilepoche [...], sondern [...] mehr aus seinem historischen Umfeld und seiner Folgeerscheinung heraus bewerten."
Die technikgeschichtliche Bedeutung der Instrumente hatte ihren Marktwert entsprechend erhöht. Sie wurden interessanter für den Kunsthandel und nach 1933, im Zuge der nationalsozialistischen Verfolgung, auch zum Gegenstand unrechtmäßiger Beschlagnahme. Der Workshop "Historische technische Instrumente: Zirkulation, Akkumulationen und Dokumente des Entzugs zwischen 1933 und 1945" will diesen besonderen Aspekt des Kunstraubs im Nationalsozialismus in den Mittelpunkt stellen. Er wird methodische Ansätze und bisherige Ergebnisse diskutieren, Fragen nach der Herkunft und Zirkulation von Objekten nachgehen und den systematischen Raub weiter beleuchten.
- Welche Möglichkeiten gibt es, NS-verfolgungsbedingt entzogene technische Instrumente in Museumssammlungen zu identifizieren?
- Wer sammelte oder besaß technische Instrumente und Geräte außerhalb von Museen und welche Interessensnetzwerke bestanden?
- Welche Sammler mussten ihre Sammlungen nach 1933 verfolgungsbedingt auflösen?
- Wo lassen sich Sammlungen von technischen Instrumenten und Geräten identifizieren?
- Wie gelangten die Objekte ins Museum?
- In welchen historischen Aufzeichnungssystemen ist der Entzug erkennbar?
- Wie können die Quellen für die Provenienzforschung zu NS-verfolgungsbedingt entzogenem technischen Kulturgut genutzt werden?
Diesen Fragen gehen vier Panels nach. Zunächst werden Identifizierungsmethoden in technischen Sammlungen diskutiert, dann wird der Kunsthandel beleuchtet, und schließlich werden Einzelfälle vorgestellt.
PROGRAMM
9.00 Uhr
Begrüßung und Einführungsvortrag
- Wissenschaftliche Instrumente der Optik als Kulturgut. Eine Nische seit 350 Jahren
Prof. Dr. Timo Mappes (D.O.M. Jena)
9.30 Uhr
Panel I: Katalogisierungs- und Identifizierungsmethoden in Sammlungen
Moderation: Björn Schirmeier
- Die Optiksammlung im Deutschen Museum - Methoden und Quellen für ihre Erschließung
Dr. Annekathrin Baumann (Deutsches Museum München)
- Herausforderungen und Probleme bei der Identifizierung von NS-Raubgut in technikhistorischen Sammlungen
Elisabeth Weber / Peter Prölß (Deutsches Museum für Technik Berlin)
10.40 Uhr
Pause
11.00 Uhr
Panel II: Kunsthandel mit technischen Instrumenten
Moderation: Dr. Sandra Mühlenberend
- Akquisitionsstrategien und Chancen. Die Sammlungserweiterung des Mathematisch-Physikalischen Salons in der ersten Hälfte des 20.
Dr. Peter Plaßmeyer (Staatliche Kunstsammlungen Dresden)
- Nationalsozialistisches Raubgut und Raubgutverdacht bei Erwerbungen aus dem (Kunst-)Handel im Technischen Museum Wien
Dr. Christian Klösch (Technisches Museum Wien)
12.00 Uhr
Mittagspause
13.00
Panel III: Fallbeispiele aus dem Deutschen Optischen Museum
Moderation: Prof. Dr. Timo Mappes
- Julius Carlebach (1909-1964): Optischer Handel als Überlebensstrategie
Dr. Sandra Mühlenberend (D.O.M. Jena)
- Walter Carl (1884-1956): Vision, Vielseitigkeit und Geschäft um jeden Preis?
Ron Hellfritzsch (D.O.M. Jena)
14.10 Uhr
Pause
14.20 Uhr
Panel IV: Rekorde des Rückzugs
Moderation: Ron Hellfritzsch
- Optisch-technische Instrumente bei Versteigerungen der Auswanderungsgüter jüdischer Emigranten in Hamburg
Dr. Kathrin Kleibl (Deutsches Schiffahrtsmuseum Bremerhaven)
- Die Restitutionsakten im Staatsarchiv Berlin. Recherche in der WGADatenbank am Beispiel der technischen Geräte
Ira Baganz (Staatsarchiv Berlin)
15.30 Uhr
Zusammenfassung der Ergebnisse
Verortung in der aktuellen Provenienzforschung
Museale Provenienzforschung an NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut zielt nicht nur auf hochwertige Kunstgegenstände und wertvolle Buchbestände, sondern hat seit geraumer Zeit auch Artefakte wie Alltags- und Gebrauchsgegenstände sowie wertvolle technische Instrumente, Geräte und Automobile im Blick. In kultur- und technikhistorischen Museen sind unrechtmäßige Entzüge nicht weniger zu beobachten, ganz im Gegenteil: Spezialmuseen bzw. -sammlungen gründen sich historisch mitunter auf solche Sammlungen, oft in hoher Ausdifferenzierung. Wie vereinzelte Sammlungsforschungen bereits gezeigt haben, lassen sich deutlich erhöhte Sammlungserwerbe zwischen 1933 und 1945 nachweisen, die sich vielfach aus entzogenem jüdischem Eigentum speisten. Das Deutsche Optische Museum (D.O.M.) in Jena ist ebenfalls ein sich auf wenige dedizierte Sachgruppen fokussierendes Technikmuseum, mit einer Geschichte, die bis in die 1920er Jahre zurückreicht. Es widmet sich seit Anfang 2020 erstmalig der Provenienzforschung als ein Schwerpunkt in der Neuausrichtung des Museums. Im Speziellen betrachtet werden hier in dem vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste geförderten Projekt „INSIGHT D.O.M.“ die zwischen 1933 und 1945 erworbenen Objekte. Der Fokus liegt im Besonderen auf den technischen Geräten bzw. optischen Instrumenten, und wie anderorts schon bemerkt, gestaltet sich die Provenienzforschung zu diesem Sammlungsgut teils schwieriger als zu klassischen Kunstgegenständen. In vielen Fällen handelt es sich um seriell Gefertigtes, das in Benennung und Beschreibung nicht nur stark vereinfacht aufgezeichnet wurde, sondern häufig individuelle Merkmale wie händische Signatur oder Eigentumsmarken vermissen lässt. Die Suche nach einem „Mikroskop“ in einer Mikroskop-Sammlung, erworben 1936, ist mit wenig Erfolg verbunden, wenn die historischen Aufzeichnungssysteme keine weiteren Anhaltspunkte geben. Es sind Schwierigkeiten, die sich auch in der Rekonstruktion des Kunsthandels mit historisch optischen Geräten zeigen. Sobald das technische Gerät aus dem Ort der ursprünglichen Bestimmung herausgelöst wurde und als Handelsware zirkulierte, sind sukzessive zahlreiche Objektinformationen verloren gegangen – ein Umstand, der durch fehlendes technisches Fachwissen der Kunsthändler bzw. Vorbesitzer mitunter gezielt befördert worden sein könnte. Wiederum existieren sehr genaue Angaben, die auf Expertenwissen bzw. private Sammler verweisen, die das Wissen um die Objekte bewahrt haben.
So stellen sich nicht nur Fragen hinsichtlich besonderer Identifizierungsmethoden bei technischen Objekten, sie stellen sich schlechthin auch in der Prüfung der Herkunft, der Hintergründe des Erwerbs und des Netzwerkes. Existieren vielfältige Orientierungshilfen für die Provenienzforschung klassischen Kunstguts, d.h. sind hier schon zahlreiche Akteure, Methoden und Praktiken, Mechanismen, Zusammenhänge und Geschädigte erforscht und Restitutionen vollzogen, liegen im Bereich technischer Instrumente nur wenige Einzelstudien vor. Ein Überblick, systemische Zusammenhänge, Schnittstellen, letztlich das Händler- und Sammlernetzwerk sind noch nicht erkennbar. Dieser Workshop soll hierzu einen Beitrag liefern.
Die Teilnahme ist kostenfrei. Verbindliche Anmeldungen zum Workshop bis 20.09.2021 unter:
sandra.muehlenberend@deutsches-optisches-museum.de
ron.hellfritzsch@deutsches-optisches-museum.de
Weitere Kontaktdaten:
Stiftung Deutsches Optisches Museum
Dr. Sandra Mühlenberend und Ron Hellfritzsch
c/o Abbe-Zentrum Beutenberg
Hans-Knöll-Str. 1
07745 Jena
Tel.: 03641 9400 46803