Veranstaltungsnachbericht: Arbeitskulturen im Wandel - Werften im Zeichen von Migration und Globalisierung

Blog | 17.11.2021

Dr. Katharina Bothe hielt im November 2021 zwei Vorträge zum Thema "Arbeitskulturen im Wandel: Werften im Zeichen von Migration und Globalisierung" im Industriemuseum Howaldsche Metallgießerei in Kiel. Die Vorträge markierten den Auftakt zu einer Fotoausstellung über Migrant:innen im Schiffbau, die noch bis zum Frühjahr 2022 im Industriemuseum zu sehen ist. Die Veranstaltungen finden mit Unterstützung von thyssenkrupp und in Kooperation des DSM mit dem Kieler Stadt- und Schifffahrtsmuseum und der IG Metall Kiel-Neumünster statt.Mehr zum Thema können Interessierte in der Zeitschrift Zeitschrift "Sozial. Geschichte Online" lesen, in der Bothe einen Aufsatz veröffentlichte.

Sehr geehrte Frau Dr. Karpf, sehr geehrte Frau Schmoliner, sehr geehrte Damen und Herren und liebe Zeitzeugen,

ich freue mich sehr über die Möglichkeit, hier heute vor Ihnen zu stehen. Eine Frau, noch dazu Wissenschaftlerin befasst sich mit der harten Männerdomäne des Schiffbaus – das erscheint zunächst untypisch. Und doch bin ich sehr herzlich in die Werftfamilie aufgenommen worden, und ja, der Umgangston war wie es im Werftjargon heißt manchmal „Hart, aber Herzlich“. „Hart aber herzlich“ – das passt auch zum heutigen Thema. Ich spreche heute über die Geschichte der Arbeitsmigration im Schiffbau, über die betriebliche Integration, die Arbeitsbedingungen, und die Zusammenarbeit von Werftarbeitern mit und ohne Migrationshintergrund. Dafür könnte ich kein besseres Publikum haben als Sie. Denn Sie sind die Experten und Expertinnen; als Mitglieder der Gewerkschaft, dem Betriebsrat und als Arbeitskräfte auf der Werft - und es ist eine Ehre vor Ihnen und mit Ihnen über dieses Thema zu sprechen.

In diesem Jahr feiert Deutschland den 60. Jahrestag des deutsch-türkischen Anwerbeabkommens vom 30. Oktober 1961. Und so steht auch mein Vortrag im Zeichen dieses Jubiläums. „Wir riefen Gastarbeiter, und es kamen Menschen“ – Mit diesen Worten von Max Frisch geht es heute um die Menschen, die damals zur Arbeit nach Deutschland kamen. „Gestalten Sie diese Gesellschaft mit, denn es ist Ihre Gesellschaft“, so formulierte es der Bundespräsident Frank Walter Steinmeier in seiner Rede zum Festakt des 60-jährigen Jubiläums. Mitgestalten, Mitarbeiten, Mitwirken - das haben vor allem die Menschen, die mit mir ihre persönlichen Erfahrungen geteilt haben. Ich danke vor allem Hans-Ulrich Stangen, der nicht nur mein Zeitzeuge war, sondern diese Veranstaltung federführend organisiert hat. Und besonders freue ich mich heute darüber, Muervet und Orhan Aldemir, Marianne und Pietro Ferraro, Kerstin und Giancarlo Orru, Gürsel Ayan und Fati Ayan mit Familie, und Silke Haß im Publikum zu sehen. Die Fotoausstellung zeigt einige ihrer Bilder prominent. Wir haben Interviews von zwei bis vier Stunden geführt und über die Arbeitserfahrungen auf der Werft gesprochen. Insgesamt habe ich 30 sogenannten Oral History Interviews mit der ersten, zweiten und dritten Arbeitergeneration von HDW und Blohm + Voss durchgeführt. Oral History – das heißt mündliche Geschichte übersetzt: Es geht darum die Stimmen, Erfahrungen und Erlebnisse von unterschiedlichen Menschen einzufangen, um andere Perspektiven und Sichtweisen auf unsere gemeinsame Geschichte zu erhalten. Das ist nicht zuletzt ein gesamtgesellschaftlicher Anspruch, der für Gleichberechtigung und Gleichheit für alle in einer Gemeinschaft lebenden Menschen gelten sollte: die gleiche Teilhabe, und die gleiche Stimme für alle!

Wer von Ihnen ist derzeit oder war auf der Werft beschäftigt? Wer kommt selbst oder hat Verwandte aus dem Ausland? Es gäbe wohl keinen besseren Ort als Treffpunkt: das Industriemuseum Howaldtsche Metallgießerei, das 1876 gegründet wurde und bis 1980 im Betrieb fast 100 Jahre Industrie- und Werftgeschichte symbolisiert. Ich danke Frau Dr. Karpf für diese Möglichkeit, diesen besonderen Ort auch zu einem Ort der Begegnungen und Integration werden zu lassen. Als letztes erhaltenen Gebäude der Howaldtswerke bildet es die Ursprünge der mehr als 180-jährigen Geschichte der HDW. Die HDW wurde Mitte des 19. Jahrhunderts gegründet, und zählte bald zu den bedeutendsten Arbeitgebern in dem beginnenden Industriezeitalter in Kiel.

Ich starte nun mit einem Streifzug durch die Geschichte der Arbeitsmigration im Schiffbau, die in der deutschen Nachkriegszeit beginnt. In den 1950er und 1960er Jahre boomte der deutsche Schiffbau. Über 100.000 Menschen arbeiteten auf den Großwerften wie HDW, Blohm + Voss und dem Bremer Vulkan. Für den Bau großer Handelsschiffe brauchten die Werften Arbeitskräfte. Der deutsche Arbeitsmarkt war schnell ausgeschöpft. Daher kamen ab den 1960er Jahren im Zuge der bundesdeutschen, bilateralen Anwerbung Migrantinnen und Migranten zu den Betrieben. Sie stammten hauptsächlich aus Italien (1955), Spanien und Griechenland (1960), der Türkei (1961), Portugal (1964) und Jugoslawien (1968). Im Jahr 1973 kam es dann zum bundesdeutschen Anwerbestopp. Die Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs waren vorbei, was mit der Ölkrise und die weltweite Wirtschaftskrise zusammenhing. Der Anwerbestopp wurde angesichts der schlechten wirtschaftlichen Lage von den Gewerkschaften unterstützt, um vor allem auch die Arbeitsplätze der Deutschen zu sichern. Im Schiffbau stiegen dennoch bis 1975 die Zahlen der Migranten weiter an, da die Familien aus dem Ausland zusammengeführt wurden. Gerade der Schiffbau war davon geprägt, dass viele Familienmitglieder, über Generationen hinweg, gemeinsam auf der Werft tätig waren. Und ich zitiere einen meiner türkischstämmigen Zeitzeugen:

„Alle, alle haben auf der Werft gearbeitet, alle fünf. Mein Bruder hat Dreher gelernt und dort gearbeitet, mein anderer Bruder war Gerüstbauer, der andere Bruder war Schlosser, mein Vater war Dreher, ich war in der Lehre. Und meine Mutter kam dann, für vier Monate abends zum Saubermachen der Büros zu HDW. […] Man spricht ja nur über HDW. […] Und es gab nichts anderes als HDW. Und wir haben hier in Dietrichsdorf gewohnt. Oben, unten, an der Seite, gegenüber, alle arbeiteten bei HDW. Da waren ja 10.000, 15.000 Leute.“ (Zitat Ende)

Mitte der 1970er Jahre arbeiteten laut der Beschäftigtenstatistik der Bundesagentur für Arbeit bis zu 10.000 Migranten im Schiffbau. Die größte Nationalitätengruppe auf den Großwerften bildeten die türkischen Arbeitskräfte, gefolgt von den Jugoslawen und den Südeuropäern. Damit zählte der Schiffbau nach der Automobilindustrie und dem Bergbau zu den Industrien mit dem höchsten Ausländeranteil in Deutschland. Auf der HDW zum Beispiel waren im Jahr 1960 10 Prozent Ausländer vertreten. Bis zum Jahr 1975 stieg die Zahl auf rund 30 Prozent, das heißt ein Drittel an der Gesamtbelegschaft an. Das bedeutete knapp 2500 Arbeiter. Damit beschäftigte die HDW die meisten ausländischen Arbeitnehmer in der Region.

Wie waren ihre Arbeitsalltag und die Arbeitsbedingungen? Ausländische Arbeitskräfte arbeiteten besonders am Anfang in harten und gefährlichen Berufen, die Deutsche oft nicht ausübten. Sie waren Schweißer, Gerüstbauer, Maler, und in der Schiffsreinigung und -reparatur, sowie der Gebäudereiniger tätig. Damit führten sie im Schiffbau wie in anderen Wirtschaftsbereichen in Deutschland, etwa im Bergbau, die härtesten, gesundheitsgefährdeten und unqualifizierten Arbeiten aus. So erinnerte sich ein italienischer Zeitzeuge:

„(…) Wir haben harte Arbeit gehabt. Doppelbodden, schlechte Arbeit, schlechte Luft“

Und ein weiterer, ehemaliger Schweißer sagte:

„(…) Und das war nicht einfach, in den Doppelboden hereinzukrabbeln, über Kopf zu schweißen, Steigenaehte zu schweißen, und dieser Qualm! Heute gibt es ja überall Rauchgasabsaugung, und damals gab es sowas ja nicht. (…)“

Verbesserter Arbeitssicherheit und Arbeitsschutz setzte auf den Werften erst Ende der 1980er und 1990er Jahren ein.

Jedoch bestanden in den Schiffbauunternehmen aufgrund des hohen Bedarfs an Facharbeitern und der Art der Zusammenarbeit die Möglichkeiten, betriebliche Qualifikation zu erlangen. Integration durch Arbeit! – So nannten das meine interviewten Gewerkschafter.Diese zeigt sich dadurch, dass rund die Hälfte der ausländischen Arbeitskräfte auf der HDW und Blohm + Voss sich weiterqualifizierten. Sie begannen als Hilfsarbeiter und erreichten im Laufe Ihrer Karriere einen Angelernten-Beruf oder wurden Facharbeiter. Einige, vor allem auch in der zweiten und dritten Generation wurden sogar Vorgesetzte wie Kolonnenführer oder Meister, allerdings handelt es sich hier eher um Ausnahmen.

Wie passierte das? In der Anfangszeit in den 1960er- und 1970er Jahren hat die Wertleitung die ausländischen Mitarbeiter den bereits existierenden Arbeitskolonnen in den unterschiedlichen Fertigungsgewerken im Schiffsneubau zugeordnet. Dort wurden sie in der Zusammenarbeit mit den deutschen Kollegen angelernt und qualifiziert, denn es herrschte wie beschrieben ein Mangel an Fachkräften. Ein ehemaliger Betriebsratsvorsitzender der HDW in Hamburg erinnert sich wie folgt:

„(…) Dann hatten wir in den Gewerken ein Gemisch, die also zuerst als Helfer angefangen haben, (in der) Tischlerei, Schlosserei, ja auch in den Bordmontagegewerken, weil wir damals ja nicht genug Fachkräfte hatten. Sie sind als Helfer dann eingestellt worden und haben sich (hochgearbeitet). Dann waren wir gemischt, (Deutsche und Ausländer). Die also wirklich das total gelernt hatten, die große Berufserfahrung hatten und die ausländischen Kollegen (…) einige haben es bis an die Spitze geschafft. Ich habe einen portugiesischen Freund, der hat nacher den Höchstlohn gehabt, wie ich auch. Hat den gleichen Lohn gehabt wie ich mit den gleichen Zulagen (…).“

Die Qualifizierungen für die Anlernberufe bestanden in der Regel, neben dem praktischen Anlernen in der Arbeitskolonne, in mehrwöchigen Ausbildungsprogrammen in den Ausbildungszentren. Mit der Integration durch Qualifikation, der Ausbildung vom Hilfs- zum Facharbeiter kam es nach den Interviewstimmen zudem zu einem graduellen Lohnangleich zwischen ausländischen und deutschen Arbeitskräften. So erinnert sich ein türkischstämmiges Gewerkschaftsmitglied:

 „Als Betriebsleute und Vertrauensleute der Gewerkschaft haben wir dafür gekämpft, dass die Leute nicht schlechter bezahlt wurden. Und später, so in den 1990ern war es schon fast die gleiche Höhe (…). Und deswegen waren wir gewählt worden von den Kollegen und deswegen mussten wir kämpfen.“

Der gewerkschaftliche Kampf für gerechte Lohnstrukturen hielt bis in die 1990er Jahre an, und hing mit der Abschaffung des Akkordsystems und Akkordsätzen zusammen, der es den Kollonnenfuehrern und Vorgesetzten erlaubte, ausländische Arbeitskräfte zu benachteiligen. Der Programmlohn war gerechter.

Grundsätzlich hat sich ein Großteil der Arbeiter mit Migrationshintergrund im Betriebsrat und der Gewerkschaft engagiert. Das ermöglichte die Reform des Betriebsverfassungsgesetzes im Jahr 1972, wodurch ausländische Arbeitskräfte erstmals wahlberechtigt und selbst wählbar wurden. Die Gewerkschaft galt zudem vor allem auch bei den Migrantinnen und Migranten als Verfechter der eigenen Interessen und Rechte. Ausländische Arbeitskräfte traten bereits während der ersten Arbeitstage und ihrer Ausbildungszeit in die Gewerkschaft ein. Zudem gab es jährlich stattfindende, vor allem türkischsprachige Gewerkschaftsseminare, die Verteilung türkischer Flugblätter und Urlaubszettel, den Einsatz deutsch-türkischer Dolmetscher, sowie ab den 1970er-Jahren freigestellte türkischstämmige Betriebsratsmitglieder in Vermittler- und Übersetzerfunktionen. Diese, so erzählten sie mir, engagierten sich bei Kommunikationsschwierigkeiten mit dem Vorgesetzen, etwa bei Urlaubsgenehmigungen, der Wohnungssuche, und bei Aufenthaltsgenehmigungen. Auch wurde bei großen Betriebsversammlungen ins Türkische übersetzt, wie zum Beispiel bei Blohm + Voss Mitte der 1970er wie folgt beschrieben wurde. Ich zitiere:

„(…) Wir waren ungefähr so 100 Vertrauensleute, gemischt, Türken, Italiener, Jugoslawen und haben gesagt: (Bei einer Betriebsversammlung von 5.000 Menschen), ‚Da sind 1500 (türkische) Menschen, die das alles nicht verstehen. Wenn man sich jetzt miteinander unterhält, dann kann man nachfragen, aber vor so einer großen Masse macht das ja keiner.“

Die Geschichte des Schiffbaus im 20. Jahrhundert war aber auch eine Geschichte von wirtschaftlichen Höhen und Tiefen, die sich auch in der Zu- und Abwanderung der migrantischen Arbeitskräfte widerspiegelt. In den 1980er Jahren veränderte sich die Situation im Schiffbau in der Welt, und damit auch in Deutschland: Die internationale Konkurrenz nahm zu, Japan, später auch aus Südkorea und China begannen große Handelsschiffe und Tanker zu bauen, und nahmen Deutschland und Europa damit ein wichtiges Geschäftszweig weg.  Im Jahr 1976 setzte schließlich die Werftenkrise mit zahlreichen Massenentlassungen ein. Bis 1990 reduzierte sich die Anzahl der Beschäftigten im Schiffbau von über 100.000 auf 20.500 Arbeitnehmer. Ein Zeitzeuge mit türkischem Migrationshintergrund erinnert sich:

„. […] Bei jeder Krisenphase sind die Leute immer schnell raus und gerade unsere ausländischen Kollegen, die waren richtig vorne. Einmal diese schweren Arbeitsbedingungen und zweitens wurden sie auch viel angesprochen."

Hinzu kam die sogenannte bundesdeutsche „Begrenzungspolitik“ ab dem Jahr 1981, die Einschränkung des Familiennachzugs. Die Maßnahmen zur Rückkehrförderung im Jahr 1983 beinhalten die Auszahlungen der eingezahlten Rentenbeiträge. Hier wurde auf den Werften eine Prämie von 10.000 DM bezahlt, eine Summe, die laut meiner Interviewpartner weit unter den erworbenen Sozialansprüchen lag. Bis 1985 verließen über 50 Prozent der Ausländer die Werften. Die Anzahl reduzierte sich auf 4.500 ausländische Werftarbeiter in der gesamten Schiffbauindustrie. Im Vergleich wurden verhältnismäßig nur 30 Prozent der deutschen, älteren Stammbelegschaft gekündigt. Viele kehrten in ihre Heimatländer zurück, viele blieben jedoch auf Dauer in Deutschland, und suchten andere Arbeit.

Gerade während der Schiffbaukrise dominierten in den Erinnerungen jedoch auch Bilder von Gleichheit, Einheit und Solidarität in der Werftgemeinschaft. Aus verschiedenen Gründen gab keine separaten Streiks von Werftarbeiter mit Migrationshintergrund im Schiffbau, wie es sie beispielsweise in der Automobilindustrie gab. Die Interviewten gaben an, dass Sie Seite an Seite, mit ihren deutschen Kollegen gegen Massenentlassungen in den 1980er Jahren gestreikt hätten. In einem Zeitungsartikel der Kieler Nachrichten heißt es zudem: „Als die Spitze des Demonstrationszugs den Berliner Platz erreicht hatte, marschierten die letzten in dicht geschlossener Kolonne. Männer, Frauen, In- und Ausländer marschierten in bunten Reihen.“ Und in Hamburg erinnert sich ein ehemaliger Betriebsratsvorsitzender an das Jahr 1983, als bei der HDW 4.000 Arbeitnehmer auf einmal entlassen wurden:

„(Meine ausländischen Kollegen) waren unheimlich toll und treu dabei. (…) Die Türken, die Jugoslawen, Portugiesen und Spanier, alle vier Großgruppen waren dabei. So und haben also auch massiv dort mitgestreikt (…) zum Beispiel bei der Werftbesetzung, 1983, die neun Tage. Das war ja nun der größte Streik, den es mal seit Ende des Krieges hier in Hamburg gegeben hat.“

Ähnlich gestalteten sich die 1990er Jahre, als die Ausländerfeindlichkeit in der Gesellschaft zunahm. Die Fotoausstellung zeigt eine Bild der Demonstration aus dem 1992, bei der deutsche und ausländische Werftarbeiter „Hand in Hand“ gemeinsam gegen Fremdenhass auf die Straße gingen und ein öffentliches Zeichen setzten. 

Abschließend möchte ich auf die mit dem Schiffbau verbundenen Identifikationen und Emotionen eingehen, die in meinen Oral History Interviews sehr auffällig waren, und ich bin gespannt auf Ihre Meinung hierzu. Egal ob mit oder ohne Migrationshintergrund: Man fühlte sich mit der Werft und der Werftarbeit ein Leben lang verbunden. Die Werft war wie eine Familie. So erinnert sich ein türkischstämmiger Rohrschlosser der zweiten Generation:

„Als ich bei auf der Werft angefangen habe, da waren etliche, Hunderte türkische Kollegen noch. Bloß die erste Generation sage ich mal, die sind schon alle im Rentenalter, wie gesagt, also mein Vater auch. Und ja, jetzt sind wir nicht mehr so viele Nichtdeutsche, aber wie gesagt, ja wie soll ich sagen, […] da wird auch über sowas gar nicht gesprochen, ob deutsch oder nicht deutsch, weil wir sind wie eine Familie dort.“

Gefühle von Zugehörigkeit und Einheit standen hier über sozialen und kulturellen Unterschieden der Menschen. 

Zudem waren alle in ähnlicher Weise „stolz auf ihr/unser Können“, wie es ja auch im Titel der Broschüre zur Geschichtswerkstatt von TKMS heißt.  Auffallend war die Identifikation mit den gebauten Schiffen und die Liebe zum Handwerk, zum Schiffbauhandwerk. Gerade Werftarbeiter mit Migrationshintergrund haben sich durch ihre handwerklichen Leistungen und die Arbeit mit den Händen Akzeptanz und Anerkennung in der Arbeitergemeinschaft verschafft. Sie selbst waren stolz, an den Schiffen mitgebaut zu haben. Schiffe sind Einzelprodukte im Vergleich zur Massen- und Serienherstellung in der Automobilindustrie. Dadurch haben sie Alleinstellungsmerkmal und Wiedererkennungswert, sei es während einer Fahrt auf der Kieler Förde, oder in Fernsehserien wie dem Traumschiff. Alle arbeiten gemeinsam an einem großen Produkt; das erzeugt ein starkes Gemeinschaftsgefühl. Gleichzeitig lässt sich nachvollziehen, was an dem Schiff selbst gebaut wurde. Diese schiffbauspezifischen Eigenschäften fördern laut der Zeitzeugen die Integration durch Arbeit, und das Gefühl der Werft als Familie. Wie ein Rohrschlosser erzählt:

„Docks, wir bauen ja die Schiffe in den Docks, Schwimmdocks. Und dann wird immer ein Segment reingelegt, dann kommt nächstes Segment, dann kommt noch ein Deck rauf. Dann wieder ein Segment, wieder ein Deck und so. Und je grösser das Schiff wird, desto mehr Leute arbeiten, und ich sage immer, man kennt ja fast die ganze Werft. Also jeder kennt jeden fast. Und wie soll ich sagen, wenn ich mal was zu schleppen haben, sage ich „Hey Baby, kannst mal ein bisschen mithelfen?“ „Ja, ok.“ Hält er dann fest, und angenommen ich muss auf die Schnelle was heften, ich gehe hin zum Schweißer, ich sage, „Du, gib mal bitte schnell Kabel, einmal kurz heften, ja komm, nimm, nimm, mach mal und so.“ Und ja, das ist also ja. Morgens gehen wir hin, wir stempeln an und die meisten sagen, „Oh, endlich zuhause angekommen.“

Zusammengefasst: Ich habe ihnen eine Teil der Arbeitsmigration und der betrieblichen Integration von Menschen verschiedener Herkunft im Schiffbau des 20. Jahrhunderts vorgestellt. Dabei habe ich Inhalte vorgestellt, die in den Interviews wichtig waren. Es kamen vor allem diejenigen zu Wort, die diese Geschichte mitgestaltet haben. Das Bespiel des Schiffbaus steht für einen neuen Beitrag und neue Erkenntnisse über die jüngere Migrationsgeschichte des Einwanderungslandes Deutschlands, erzählt von denjenigen, die es erlebt haben.

 

 

 

 

Dr. Katharina Bothe am Rednerpult zur Eröffnung der Fotoausstellung zum Thema "Arbeiten auf der Werft".

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