Nachbericht: Workshop Digitalisierung in Ausstellung und Forschung
Digitalisierung in Ausstellung und Forschung - ein gemeinsamer Workshop des Northern Sea Maritime Museums’ Network und dem Baltic Sea Maritime Museums’ Network am 7. Juni 2021 - Nachbericht
Die Geschichte der Seefahrt ist in vielerlei Hinsicht eine Geschichte der Materialien - sie sind ein bestimmender Faktor beim Bau von Schiffen ebenso wie bei deren Versorgung und Wartung im Hafen und auf See. Ihre landgebundene Verfügbarkeit entscheidet über die Fähigkeit einer Region, maritime Ressourcen auszubeuten und über die Fähigkeit einer Region, maritime Ressourcen zu nutzen und Seemacht zu projizieren. Ihr Einsatz und Umgang auf Schiffen und in Werften repräsentiert Hunderte von Jahren an Erfahrung und Tradition. In der jüngeren Geschichte haben die Fortschritte in der Materialwissenschaft Fragen der Sicherheit und Nachhaltigkeit in der Schifffahrt sowohl aufgeworfen als auch beantwortet. Die Bedeutung und Vielfalt der Materialien in der maritimen Geschichte überträgt sich direkt auf viele maritime Sammlungen, die ein großes Spektrum an Hölzern, Metallen, Keramiken, Textilien, Farben, Klebstoffen, Kunststoffen und Verbundwerkstoffen. Die Herausforderung des Umgangs mit der historischen Dimension dieser Materialien umzugehen, wird überlagert von der weiteren Herausforderung, diese Stücke zu dokumentieren, zu konservieren und gelegentlich für Ausstellungszwecke und Langzeitlagerung zu dokumentieren. Der Workshop versammelte eine Reihe von Vorträgen, die sowohl aus der Sammlungs- als auch aus der Ausstellungspraxis stammten und und brachte Museen aus Polen, Norwegen, den Niederlanden und Deutschland zusammen.
Robert Domzal, Direktor des Nationalen Maritimen Museums in Polen, und Ruth Schilling, wissenschaftliche Leiterin für Ausstellung und Forschung am Deutschen Schiffahrtsmuseum, begrüßten die Teilnehmenden. Herr Domzal wies darauf hin, dass der Workshop ein langjähriger Wunsch der beiden Netzwerkpartner war. Ruth Schilling beleuchtete in einem kurzen Input die Forschungs- und Kommunikationspotentiale digitaler Methoden und die Notwendigkeit eines europaweiten Austausches zu konzeptionellen und manchmal sehr praktischen Fragen.
Annette de Wit vom Maritimen Museum in Rotterdam und Elisabeth Solvang Koren vom Norwegischen Nationalen Maritimen Museum in Oslo, stellten zwei Projekte vor, die zum Ziel hatten, Material über die Situation von Seeleuten während der COVID-19-Pandemie zu sammeln. Das Interview-Material wird sowohl Teil der Sammlung der Museen als auch als digitale Ausstellung sichtbar sein. In beiden Fällen erwies sich die Kommunikation mit den Seefahrern als schwierig, was auf die oft schwierigen Arbeitsbedingungen hinweist, die durch die aktuelle Pandemie noch verschärft werden.
Beide Projekte sind sehr beeindruckende Bemühungen, die die gegenwärtigen Bedingungen der Menschen zeigen, die in der Schifffahrtsindustrie arbeiten. Sie demonstrieren damit das Potenzial digitaler Methoden für die Entwicklung flexibler und zeitgemäßer Ansätze in Museen. Diese haben die Rolle als Sammler und
Kommentatoren der gegenwärtigen Gesellschaft inne (Titel der Präsentation: COVID-19 und die Schifffahrt Industrie. Das Sammeln digitaler Inhalte in der Krise).
Isabella Hodgson und Dennis Niewerth vom Deutschen Schiffahrtsmuseum gaben einen Einblick in die Arbeit der Digitalisierungsabteilung. Eines ihrer Projekte besteht in der Entwicklung einer AR-Anwendung für Schiffsmodelle. Sie präsentierten Gründe für die Wahl dieser speziellen Technologie sowie die Besucherforschung, die darauf hindeutet, dass es mit einer solchen Technologie (hoffentlich) möglich sein wird, ein junges Publikum für die bisher eher traditionellen Artefakte von Schiffsmodellen anzusprechen (Titel der Präsentation: Relation herstellen - Schiffe: Telling Maritime Geschichten für junge Besucher durch Schiffsmodelle und ihre virtuellen Doppelgänger).
Ron Brand vom Maritimen Museum in Rotterdam sprach über die laufenden Digitalisierung von seltenen Büchern und Karten. Das Museum bezieht erfolgreich Universitätsstudenten sowie Freiwillige beim Fotografieren und Beschreiben ein. Ron Brand betonte, dass die Digitalisierung dem Kuratorenteam des Museums hilft, einen viel engeren und besseren Kontakt mit den zweidimensionalen Archiv- und Bibliotheksmaterialien zu bekommen. Er erklärte auch, dass es die internationale Reichweite des Museums unterstützt, da viele Materialien der Sammlung nur verstanden werden können, wenn man sie gemeinsam mit einer globalen Expertise betrachtet (Titel der Präsentation: Das Projekt der Beschreibung und Fotografie der Drucke und Karten in der Rare Books Collection im Maritimen Museum in Rotterdam).
Tomasz Bednarz, Leiter der Digitalisierungsabteilung des Nationalen Maritimen Museums in Gdánsk, Polen, zeigte dem Publikum zusammen mit seinem Team eindrucksvolle Einblicke in die sehr weit entwickelten technischen digitalen Methoden, die in diesem Museum eingesetzt werden. Dank des Zooms war es
war es möglich, sich in die Werkstatt in Gdánsk einzustimmen und einen Live-Einblick zu bekommen. Tomasz Bednarz beleuchtete die Ausstellungsnutzung sowie die Bedeutung ihrer Methoden zur Dokumentation und Restaurierung (Titel der Präsentation: Wie wir unsere digitale Welt. 3D-Modelle aus dem Nationalen Maritimen Museum in Gdańsk).
Der letzte Teil des Workshops konzentrierte sich auf "echte" Schiffe, die mit digitalen Methoden präsentiert oder erweitert wurden. Ursula Richenberger, Leiterin des Projekts Internationales Hafenmuseum in Hamburg, berichtete über die digitale Präsentation des Segelschiffs PEKING und wie diese für die aktuelle und zukünftige Ausstellungsplanung genutzt wird. Außerdem gab sie einen Einblick in ein sehr überzeugendes Instagram-Projekt, in dem Schüler ihre eigenen Ideen zur Begrüßung der PEKING in Hamburg teilten (Titel der Präsentation: Die PEKING in der virtuellen Welt). Ergänzend zu ihrem Vortrag führte uns Marcin Pawelski vom Nationalen Maritimen Museum in Gdánsk auf der DAR POMORZA, wo eine komplette VR-Tour entwickelt wurde, die es älteren Menschen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, ermöglicht wird, das Schiff zu besuchen. Robert Domzál fügte hinzu, dass dieses Projekt für sie noch ein Experiment darstellt (Titel der Präsentation: Barrierefreiheit durch Immersion - eine 3D-Tour auf dem Museumsschiff DAR POMORZA).
Die Diskussionen zwischen den Panels sowie die abschließende Debatte zeigten, dass die maritimen Museen viele gemeinsame Fragen haben, wenn es um die Aufnahme von digitalen Daten in ihren Sammlungen geht. Ein weiterer entscheidender Punkt besteht in der Frage, ob und wie digitale Methoden diesen Museen helfen können, den Generationswechsel ihres Publikums zu bewältigen und jüngere Menschen zu rekrutieren. Es zeigte sich auch, dass diese Museen gerne generell digitale Methoden nutzen, um Artefakte zugänglich und transparenter zu machen, die aus konservatorischen Gründen nicht mehr zu sehen sind (z.B. Schiffswracks) oder aufgrund von Barrieren nicht für alle gesellschaftlichen Gruppen zu erreichen sind.
Generell zeigte das europäische Interesse des Workshops, dass es einen generellen Bedarf an mehr Austausch zwischen maritimen Museen über den Einsatz digitaler Methoden sowie eine gemeinsame Untersuchung ihrer Auswirkungen auf die Sammlungs- und Ausstellungspraxis sowie auf die Besucherforschung gibt.