Exotinnen in einer Männerdomäne - Frauen im Schiffbau

Blog | 06.03.2021

Schiffe tragen weibliche Namen, früher tauchten häufig weibliche Galionsfiguren am Bug der Segler auf und verhießen gutes Wetter und eine sichere Fahrt – doch wie steht es um die Beteiligung von Frauen in der maritimen Wirtschaft? Anlässlich des Weltfrauentags, dem 8. März, gibt DSM-Mitarbeiterin Deike Reddig Einblicke in ihre Masterarbeit zum Thema „Frauen auf der Werft“.

Am 9. August 1983 zerschellt eine Flasche am Bug der PHAROS. Der Knall hallt lange durch die Belegschaft, die Presse und bleibt schließlich im Bremischen Jahrbuch (Band 92) hängen. Ungewöhnlich war nicht, dass es sich bei Elvira Viercke um eine weibliche Taufpatin handelte, sondern, dass sie einen Mehrzweckfrachter taufte, dessen Wände sie ebenfalls geschweißt hatte. Die 43-jährige Bremerin arbeitete zu dem Zeitpunkt seit 13 Jahren als Schweißerin bei der Großwerft Bremer Vulkan und durfte als erste Betriebszugehörige beim Taufakt zur Tat schreiten. Die allgemeine Verwunderung über dieses Ereignis macht klar, wie wenig man über die Rolle von Frauen im Schiffbau weiß.

Deike Reddig will das ändern. In ihrer Masterarbeit zum Thema „Frauen auf der Werft“ wertet die wissenschaftliche Mitarbeiterin des DSM unter anderem Interviews von ehemaligen Mitarbeiterinnen auf Werften aus und gewinnt Einblicke in deren Arbeitswelt.

Frau Reddig, Schiffe werden oft auf klangvolle weibliche Namen getauft - wie stark sind Frauen denn beim Bau von Schiffen beteiligt?

Das lässt sich so pauschal gar nicht beziffern. Der Schiffbau ist nach wie vor ein sehr von Männern dominiertes Arbeitsfeld, die Namensgebung der Schiffe steht auch in einer völlig anderen Tradition. Meines Wissens nach besteht da keinerlei Zusammenhang. Weibliche Arbeiterinnen haben im handwerklichen Bereich der Werften, abgesehen von Kriegszeiten, stets eine sehr marginale Rolle gespielt. Im Zuge des Arbeitskräftemangels Ende der 1960er Jahre ging man in industriellen Betrieben, wie den Großwerften dazu über, gezielt Frauen anzuwerben. Allerdings waren es selbst zu Hochzeiten, nie mehr als ein paar hundert Arbeiterinnen bei einer Gesamtbelegschaftsgröße von mehreren tausend Beschäftigten. Der Schiffbau war und ist definitiv ein männlich dominiertes Berufsfeld. Aber gerade das macht es so spannend, einmal auf die Personen zu schauen, die außerhalb des gängigen Betrachtungswinkels stehen.

Wie kam es dazu, dass Sie das Thema „Frauen auf der Werft“ in Ihrer Masterarbeit näher betrachten?

Das war eigentlich eher zufällig. Ich habe im Rahmen meines Masterstudiums in Geschichte an der Universität ein Praktikum im DSM gemacht. Dabei habe ich neben allgemeineren Recherchen zum Thema Schiffbau auch geschaut, ob und wo Frauen im Schiffbau tätig waren. Dabei habe ich festgestellt, dass es zu diesem, zugegeben recht spezifischen Thema „Werftarbeiterinnen“ kaum wissenschaftliche Arbeiten gibt. Aber es gab sie, gerade diese Unsichtbarkeit hat mich neugierig gemacht. Meine Arbeit setzt sich aus zwei Teilen zusammen. Im ersten Teil untersuche ich die Frauenerwerbstätigkeit anhand einiger Interviews mit Zeitzeug:innen vom „Bremer Vulkan“, eine Art Mikro-Studie. Im zweiten Teil stelle ich dar, wie diese Ergebnisse neue Perspektiven in die Darstellung vom Thema Schiffbau im Museum ermöglichen können.

Auf welchen Zeitraum gehen Sie genauer ein?

Ich untersuche die Arbeitsbiografien mehrerer Frauen, die auf der Bremer Großwerft „Bremer Vulkan“ tätig waren. Der Untersuchungszeitraum zieht sich in etwa vom Ende der 1960er Jahre bis zur Schließung der Werft Ende der 1990er Jahre. Dieser Rahmen ergibt sich aus dem Quellenmaterial, das mir zur Verfügung steht.

Welche Protagonistin bleibt Ihnen besonders in Erinnerung?

Mein Sample aus Interviews ist recht klein, aber jede Geschichte ist auf ihre Art sehr eindrucksvoll. Die Geschichten dieser Frauen zeigen gleichzeitig, wie viel sich in der Gleichberechtigung und Gleichbehandlung der Geschlechter getan hat und gleichzeitig, wie wenig an anderen Stellen. So manche Probleme die in den Interviews beschrieben werden, erleben auch viele Frauen heute noch.

Wie erging es den weiblichen Beschäftigten auf der Werft, welche Aufgaben hatten sie und wie kamen sie dazu, in dieser Männerdomäne zu arbeiten? Brauchten die Frauen eine Arbeitserlaubnis ihrer Ehemänner?

In meiner Untersuchung betrachte ich vor allem Frauen die im eigentlichen Schiffbau tätig waren, beispielsweise als Schweißerinnen oder Brennschneiderinnen. Sie wurden vor allem durch die sehr guten Verdienstmöglichkeiten auf die Werft gelockt. Beim Bremer Vulkan bekamen die Arbeiterinnen denselben Lohn wie ihre männlichen Kollegen - für die 1970er Jahre alles andere als selbstverständlich. Nach einer mehrwöchigen Ausbildung in den Lehrwerkstätten mussten sie mit anpacken. Allerdings blieben nur die wenigsten Frauen für längere Zeit auf der Werft. So hart die Arbeitsumstände teilweise beschrieben werden, so blicken die Frauen jedoch gerne auf die Zeit zurück und möchten sie nicht missen.

Hat sich die Rolle der Frau im Schiffbau geändert? Gibt es mehr Frauen in diesem Bereich?

Die allgemeine Entwicklung der Frauenerwerbstätigkeit im Schiffbau liegt nicht in meinem Fokus. Es gibt auch zu wenig Quellenmaterial zu Werftarbeiterinnen, als dass sich eine Entwicklung genau nachvollziehen ließe. Die Frauen, deren Arbeitsbiografien ich untersucht habe, waren starke Frauen, aber es deutet leider nichts daraufhin, dass ihre Arbeit vorherrschende Vorstellungen vom Geschlechterverhältnis durchbrochen haben. Zum einen waren sie dafür einfach zu wenige, sie waren stets Exotinnen. Sie wollten gute Arbeit machen und waren zu Recht stolz auf ihre Leistung. Die Frauen haben sich aber nicht als feministische Vorkämpferinnen gesehen. Sie werden sicherlich so manches Vorurteil aufgeweicht haben. Frauen stell(t)en auf der Werft ein Randphänomen dar, dennoch sind sie zweifelsohne ein Bestandteil der Werftgeschichte. Vor allem ermöglichen ihre Geschichten es jetzt, neue Perspektiven auf die Geschichte des Schiffbaus zu schaffen.

Zur Person

Deike Reddig ist 32 Jahre alt und lebt mit ihrer Familie in Bremerhaven. Sie studiert an der Universität Bremen im Masterstudiengang Geschichte mit dem Schwerpunkt „Geschichte in der Öffentlichkeit“. Seit dem Frühjahr 2019 unterstützt sie als studentische Hilfskraft die wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen am DSM. Ihre Masterarbeit schließt sie voraussichtlich im Sommer 2021 ab.

 

digitale Angebote

Deike Reddig schreibt ihre Masterarbeit über Frauen im Schiffbau.

Foto: DSM

 

.svgNavPlus { fill: #002c50; } .svgFacebook { fill: #002c50; } .svgYoutube { fill: #002c50; } .svgInstagram { fill: #002c50; } .svgLeibnizLogo { fill: #002c50; } .svgWatch { fill: #002c50; } .svgPin { fill: #002c50; } .svgLetter { fill: #002c50; } Universität Bremen