Schifffahrt, Biodiversität und Globalisierung

Der globale Schiffsverkehr hat Einfluss auf die biologische Vielfalt. „Schifffahrt und Biodiversität im Zeitalter der Globalisierung“ untersucht die Rolle der Schiffe im Anthropozän

Unumkehrbare Veränderungen der Biodiversität in den Meeren und an Land sind ein eher wenig erforschtes Thema der Umweltgeschichte. Doch in den Geistes- und Kulturwissenschaften wächst fächerübergreifend das Interesse an der Rolle der Meere in der Geschichte. Dem entspricht ein zunehmendes öffentliches Interesse an der Bedeutung der Ozeane als Großökosysteme und im Klimawandel. Im DSM werfen wir deshalb einen genauen Blick auf das Schiff als Medium in den wechselseitigen historischen Beziehungen von Mensch und Meeresumwelt. Denn neben der beabsichtigten Beförderung von Ladung und Passagieren gehört zur Schifffahrt stets auch ein unbeabsichtigter Transport von Tieren, Pflanzen und Mikroorganismen: Finden sie nach der Reise günstige Lebensbedingungen vor, können sie regionale Ökosysteme und Biodiversität gravierend verändern.

 

Wie kommt die Wollhandkrabbe ins Museum?

Die öffentliche Aufmerksamkeit für nicht-heimische marine Tier- und Pflanzenarten mag insgesamt nicht immer so hoch sein wie gegenwärtig beim Wolf, und die fraglichen Arten sind im Allgemeinen namentlich weniger bekannt als beispielsweise der Waschbär. Die Chinesische Wollhandkrabbe stellt vielleicht eine Ausnahme dar, denn ein Präparat einer solchen Krabbe befindet sich in der Sammlung des DSM. Wie sie dorthin kam, erklärt sich aus den historischen Zusammenhängen von Schifffahrt und invasiven Arten, mit denen ich mich in einem mehrjährigen Forschungsprojekt beschäftigen möchte. Die Einschleppung der Wollhandkrabbe aus chinesischen Gewässern nach Europa verdeutlicht nicht nur räumlich die globale Dimension des Themas. Vielmehr ist die Zunahme und Verdichtung maritimer Mobilität ein Kennzeichen der Globalisierung seit der Mitte des 19. Jahrhunderts.

 

Erhöhtes Reisenden-Aufkommen

Der unbeabsichtigte Transport von neuen Arten wie der Chinesischen Wollhandkrabbe in den Bodentanks von Schiffen verweist auf Entwicklungen im Schiffbau und damit auf die Rolle von Technik in historischen Umweltveränderungen. Wesentliches Medium des Transports von Organismen ist das Ballastwasser, das zum immer häufigeren, schnelleren und volumenreicheren Austausch großer Mengen an Meerwasser beiträgt. Technikhistorisch sind für den Untersuchungszeitraum die Entwicklung des Stahlschiffbaus, die zunehmenden Geschwindigkeiten im Seeverkehr und das Schiffsgrößenwachstum relevant, da sich diese Faktoren sowohl auf die Anzahl der Organismen als auch auf deren Überlebenschancen auswirken. Im Zentrum meiner Überlegungen steht deshalb stets das Schiff als technisches Artefakt und als Grundlage für das erhöhte „Reisenden-Aufkommen“ in Meeren und Ozeanen. In meiner Forschungsarbeit interessiert mich, welchem technischen Wandel der Einfluss der marinen Biodiversität durch Schiffe unterlag und wie sich Wahrnehmung und Problematisierung dieses Zusammenhangs veränderten.

 

Schiffe verändern die Welt

Dass Organismen unterschiedlichster Gestalt und Größe in der Ladung, im Ballast oder am Schiffskörper von einer Weltregion in die andere gelangen, ist ein realer Bestandteil der Schifffahrtsgeschichte. Das DSM versteht es als wichtige Aufgabe, diese Vorgänge in seiner künftigen Ausstellung zu veranschaulichen und nachvollziehbar zu machen. Im Rahmen des Forschungsbereichs „Schifffahrt und Umwelt“ will das Museum damit auch einen Beitrag zur Diskussion um das Konzept des Anthropozäns leisten. Denn die irreversible Veränderung der biologischen Vielfalt im globalen Maßstab gilt als ein Hinweis darauf, dass die Menschheit spätestens mit Beginn der Industrialisierung zu einer erdsystemverändernden Kraft geworden ist.

Weiterführende Literatur

McNeill, John R.
Blue Planet. Die Geschichte der Umwelt im 20. Jahrhundert
Frankfurt a.M. 2003



Seebens, Hanno (u.a.)
The Risk of Marine Bioinvasion Caused by Global Shipping
In: Ecology Letters 16 (2013), S. 782–790



Trischler, Helmuth
The Anthropocene. A Challenge for the History of Science, Technology, and the Environment
In: NTM Journal of the History of Science, Technology, and Medicine 24/3 (2016), S. 309–335

 

Blinder Passagier mit Scheren
Die Chinesische Wollhandkrabbe gelangte bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Ballastwasser von Schiffen von Asien in europäische Gewässer und…

 

 

Das Tier zum Schiff
Einen ersten Eindruck des Forschungsprojekts zu den Zusammenhängen von globaler Schifffahrt und mariner Biodiversität erlaubte eine kleine Ausstellung im…

 

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